Seite - 43 - in Musik am Dom zu Salzburg - Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
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2.1 Das 17. und 18. Jahrhundert
GeorgMuffat (1654–1704) erreichte die barockeMu-
sikpflege am Salzburger Hof einen Höhepunkt und
konnte sich mit den benachbarten Fürstenhöfen in
Wien undMünchenmessen. Biber erreichte zwarmit
seiner Instrumentalmusik bereits zuLebzeiten große
Anerkennung, erst spätwurde indes seineBedeutung
alsKomponist geistlicherMusik erkannt und im20.
JahrhundertmitAusgaben und einer umfangreichen
monographischenArbeit gewürdigt.31
Vor allem mit seinen groß besetzten geistlichen
Kompositionen trugBiber –wie die bildendenKünst-
ler und Architekten seiner Zeit – zur Versinnbild-
lichung der „Ecclesia triumphans“ bei. Barocken
Komponisten,Architekten und bildhaft gestaltenden
Künstlern kamdieAufgabe zu, himmlischenGlanz
undPrunk imZeremoniell fürstlicherHofhaltung zu
verwirklichen undMajestät,Macht undGewalt des
Fürsten zumAusdruck zu bringen. Auch Salzburgs
geistliche Landesfürstenwaren gefordert, dieseWir-
kung vonMusik primär in sakralenRäumen einzuset-
zen, in liturgischenZeremonienGott zuverherrlichen,
gleichzeitigaberauchdaseigeneAnsehenzurGeltung
zu bringen. Nur an wenigen anderen europäischen
geistlichenFürstenhöfenwurde im 17. Jahrhundert
diesesVerlangenmit so großemAufwandumgesetzt
wie in Salzburg.Davon zeugen vor allem zwei Ereig-
nisse:dieDomweihe imJahre1628(vgl. oben)unddie
Feierlichkeiten zum1100-jährigenJubiläumderGrün-
dung des Erzstiftes Salzburgs durch den hl. Rupert
im Jahr 168232. Letzeres Fest war mit allergrößter
Wahrscheinlichkeit derAnlass für die Schaffung der
31Chafe,EricThomas:TheChurchMusic ofHeinrichBiber,
Dissertation,UniversityofToronto1975,publiziert alsCha-
fe, EricThomas:TheChurchMusic of Heinrich Biber,
AnnArbor (Mich.): UMIResearchPress 1987, (Studies in
Musicology, 95).
32DasFest zumJubiläumvon 1682 ist zwar durch gedruckte
Beschreibungen nicht so ausführlich dokumentiert wie je-
nes zurDomweihe von 1628, die überdimensionale Partitur
zweierKompositionen (derMissa Salisburgensis und der
Motette „Plaudite tympana“) und ein detailreicher groß-
formatigerKupferstich derReliquienprozession am18.Ok-
tober 1682 vonChristophLederwasch (1651–1705) geben
jedoch eine Vorstellung davon, welcheMittel Fürsterzbi-
schofMaxGandolph für diesesEreignis aufgewendet hat.
Vgl.Lederwasch, Christoph:EigentlicheAbbildung der
Procession, so den 18. Octobris im Jahr Christi 1682, von
Urhebung aber des Ertz-Stiffts Saltzburg imAilffhundersten
Jahrs-lauff: vorderist zuEhrn und schuldigisten danckh der
AllerheiligistenDreyfaltigkheit so dan derUbergebenedeiten
Jungfrauen undMutterGottesMariae, auch deren anderen
H.H. Landts-Patronen gehalten worden, [Salzburg, 1682]. 53-stimmigenMissa Salisburgensis33 durchHeinrich
IgnazFranzBiber, diewie kein anderesWerkbarocke
Musizierpraxis amSalzburgerDombelegt.
Schon allein anhand der Besetzung mit 53-
stimmigem vokal- und Instrumentalensemble lässt
sich die Sonderstellung dieses Werks, das sich aus
einem fünfteiligenMessordinariumundderMotette
„Plaudite tympana“ zusammensetzt, in derMusikge-
schichte erkennen. Es ist kaumverwunderlich, dass
man dasWerk im 19. Jahrhundert dem römischen
Kolossalstil undOrazioBenevoli, dembedeutendsten
und bekanntestenVertreter dieses Stils, zuwies.
Als in den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts die
überdimensionalePartiturmit den ungewöhnlichen
Ausmaßen 82× 57 cmangeblich bei einemGewürz-
krämer in Salzburg vonDomchordirektor Innozenz
Achleitner (1834–1880) entdeckt undFranzXaver Je-
linek (1818–1880), demArchivardesDommusikverein
undMozarteums, zurBegutachtung vorgelegtwurde,
versah dieser das unbeschriftet gebliebeneDeckblatt
der Partitur mit der Aufschrift: „Zur Einweihung
der Domkirche in Salzburg componirt von Orazio
Benevoli A[nn]o 1628 den 24. Sept[ember]“. Die In-
formationen, die zu dieser – wie wir heute wissen –
Fehlzuschreibung führten, erhielt er vermutlich aus
Wien.
Nachweislich sah derWienerMusikhistorikerAu-
gustWilhelm Ambros (1816–1876) die Partitur in
Salzburg ein und fertigte sich daraus handschriftli-
cheAuszüge für seineGeschichte derMusik an, die
in der Österreichischen Nationalbibliothek überlie-
fert sind.34NachAmbros sind dessenRecherchen zur
Partitur vonMesse undMotette „Plaudite tympana“
zu 53 Stimmen und vermutlich auch der nachgelas-
seneKommentar zu beidenWerken vonOttoKade
und Hugo Leichtentritt für den 1878 posthum pu-
blizierten viertenBand vonAmbros’Geschichte der
Musik35 verwendetworden. 1903 nahmGuidoAdler
(1855–1941) die beidenKompositionen als Band 20
in seineDenkmäler der Tonkunst in Österreich auf
und kommentierte sie ausführlich.Allerdings unter-
33DieOriginalpartiturbefindet sichheute imSalzburgMuseum
(A-Sca,Hs. 751).
34ÖsterreichischeNationalbibliothek,Musiksammlung,Mus.
Hs. 1549.
35Ambros, AugustWilhelm; Leichtentritt, Hugo/Otto
Kade (Hrsg.):Geschichte derMusik imZeitalter der Re-
naissance vonPalestrina an [Fragment], Band 4, Leipzig:
Leuckart 1878.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Titel
- Musik am Dom zu Salzburg
- Untertitel
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Autoren
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Abmessungen
- 21.0 x 30.2 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Kunst und Kultur