Seite - 47 - in Musik am Dom zu Salzburg - Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
Bild der Seite - 47 -
Text der Seite - 47 -
2.1 Das 17. und 18. Jahrhundert
Universitätstheaterbesteht, ist großteilsnurmitText-
büchern zu belegen. Lediglich eineKomposition hat
sich in einer zeitgenössischen Kopie von der Hand
des Hofkopisten Johann Jakob Rott erhalten: das
SchuldramaLibertas Romanus feliciter captiva56, das
am6. September 1735 amUniversitätstheater aufge-
führtwurde.57EinBenediktinermönch aus demStift
Kremsmünster, Frater Heinrich Pichler, der an der
SalzburgerUniversität studierte, beschreibt in seinem
Tagebuch nicht nur dasTheater inEinzelheiten und
denAufwand, denman für die so genannten „Ends-
undFinalkomödien“ zumAbschluss des Studienjah-
res betrieb, sondern auch die von ihmaufgesuchten
Kirchen undderen ‚Musikangebot‘: EinBeispiel be-
sondererArt stellt dieVesper am24.Dezember 1745
dar, von der er nicht nur den liturgischen Ablauf
beschreibt, sondern auch detailliert dieMusizierpra-
xis schildert, die er vorOrt erlebte (→ S. 128). Ein
Jahr später regelteHofkapellmeisterKarlHeinrichBi-
ber dieAufteilung derMusiker auf denEmporen der
Vierung derDomkirche in einempräzis abgefassten
Dokument entsprechend denFestgraden (→S. 128).
KarlHeinrichBiber (1681–1749) ist heute als Sohn
des „großen“Heinrich IgnazFranzBiber der amwe-
nigsten beachtete unter den bedeutenden Salzburger
Musikern jener Zeit.58 Sein kompositorischesWerk
wird gemeinhin imKontext einer amWiener „Imperi-
alstil“ orientiertenRepertoireerneuerung amSalzbur-
ger Dom gesehen59; dass ermehr als seinAmtsvor-
gängerBiechtelermit diversenBesetzungsvarianten
experimentierte unddamit, wiewohl jünger als dieser,
hinsichtlich der äußerenAnlage seinerWerke biswei-
len deutliche Anleihen beimMonumentalstil seines
Vaters nehmend, als Bindeglied „zwischenHöhepunk-
ten“ der „großen“ Salzburger Musikgeschichte ein
ganz eigenes Profil entwickelte, ist bislang noch nicht
thematisiertworden.
56Boberski, Heinrich:DasTheater der Benediktiner an der
altenUniversität Salzburg (1617–1778), Dissertation,Uni-
versitätWien, 1977,Nr. 455.
57Hintermaier, Ernst: „NeueQuellen zumSalzburgerBene-
diktinerdrama aus der erstenHälfte des 18. Jahrhunderts“,
in:Gerhard Ammerer (Hrsg.): Tradition undWandel.
Beiträge zurKirchen-, Gesellschafts- undKulturgeschich-
te. Festschrift für HeinzDopsch, Oldenburg u.München:
Verlag fürGeschichte undPolitik u.a. 2001, S. 321–333.
58ExemplarischdafürderArtikel inMGG2,Personenteil,Bd.2,
Sp. 1579, der inUnkenntnis derDissertationErnstHinter-
maiersweit hinter derenKenntnisstand zurückfällt.
59Hochradner: „ZwischenHöhepunkten“, S. 242. 100sicherzuschreibbareKompositionenBibers sind
imDommusikarchiv, zu einembeträchtlichenTeil in
autographen Stimmenhandschriften, überliefert (sie-
heTab. 2.1 auf dieser Seite). Der größteTeil seiner
erhaltenen Kompositionen entspricht den seit den
1720er-Jahren verfestigtenKonventionen, jedoch fin-
den sich darunter immerwieder auch einzelneWerke,
die vor demHintergrunddieserPraxis als originell er-
scheinen. Sofinden sich ausschließlichbei ihmViolino
piccolo,Viole d’amore oderTrombemarine besetzt.
Auch ist er der letzte in der Sammlung vertretene
SalzburgerKomponist, der nochZinken undViolet-
tae verwendete.Ungewöhnlich ist auch dieBesetzung
von „Violini unisoni“, die bei Biber in sechsWerken
diverserGattungen60unddamitöfterals imgesamten
Rest desBestandes vorkommt.61
Messen 19
Requiem 1
Offertorien 11
Vespern+Einzelsätze 4+4
Miserere 3 (+2)
Regina coeli 9 (+2)
TeDeum 3 (+1)
Litaneien 12
Responsorien 2
Sonaten 27 (+2)
Konzerte „per la chiesa“ 4
Schuldrama 1
Tabelle 2.1:WerkeKarlHeinrichBibers imDom-
musikarchiv (zweifelhafte und nicht erhaltene
Werke stehen inKlammern).
Unter Bibers 19 Messen ragen einige von unge-
wöhnlicherArt hervor: so eineMissa aDupplici Cho-
ro62, die offenbar nochmit derAufführung auf den
vierVierungsemporen rechnet, sowie die 1728 kompo-
nierteMissa S. Leopoldi63, die „InContrapunto à 4
Voci“ gearbeitet und lediglich durchOrgel undViolo-
ne begleitet an ältereModelle anschließt; sie dürfte
entwedermit demGeburtstag des Fürsterzbischofs
Leopold AntonGraf Firmian am 26.Mai odermit
60Offertorium „Justus ut palma“ (A 150), Messe (A 131),
Misereremei (A 176), 2Regina coeli (A 136 undA1576),
Sonate (A 791).
61Biechteler verwendet „Violini unisoni“ zweimal indenbeiden
Regina coeli (A 98 und A 100); zu einerMesse Eberlins
(HerEb 43) haben sich zwei Stimmen „Violino unisono“
erhalten; ein weiteres anonym überliefertesRegina coeli
(A-Sd,A 1285) dürfte vonBiechteler oderBiber stammen.
62A-Sd,A 114.
63A-Sd,A 125.
47
Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Titel
- Musik am Dom zu Salzburg
- Untertitel
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Autoren
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Abmessungen
- 21.0 x 30.2 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Kunst und Kultur