Seite - 52 - in Musik am Dom zu Salzburg - Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
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2 Geschichte derMusik an derMetropolitankirche
dieKirche aber etlicheMessen undVesper-
psalmen gemacht.“106
Mozarts lapidareNotiz sowie derBerichtP.Otto
Gutrathers OSB über die für Lolli höchst unrühm-
lichen Vorgänge bei der 1743 erfolgten Nachbeset-
zung derVizekapellmeisterstelle107, die er dann bis
zuEberlinsTod innehatte, haben dasBild Lollis in
derNachweltnachhaltig zu seinenUngunstengeprägt.
SeinRuf alsMensch undMusiker gilt heute als „rui-
niert“ undwurde erst jüngst einer differenzierenden
Revision unterzogen.108
Während eine auf der eingehenden Auseinander-
setzungmit LollisWerk fußendeBeurteilung seines
kompositorischen Vermögens noch weitgehend aus-
steht, wird zumindest für das vergleichsweise geringe
SchaffenLollis neuerdings als Erklärung insTreffen
geführt, dass bereits durchLollis VorgängerEberlin
dasRepertoire amDomumfassend aufgebautworden
war und daher kein „dringlicherBedarf nach neuen
Kompositionen“bestandenhabe.109MitBlick auf die
Gattung derKirchensonate, bei der sich imSchaffen
Lollis ein Übergang von älteren mehrsätzigen For-
men zur zukunftsweisendenEinsätzigkeit abzeichnet,
wird Lolli dieRolle eines die historischeEntwicklung
vorantreibendenBindegliedes zwischen den Jahrhun-
derthälften attestiert: „Gerade Lolli hat dieGattung
derKirchensonate formal gestrafft undwar derjenige,
der dieBrücke schlug hin zur einsätzigenKirchenso-
nate, wie sie dann beiWolfgangAmadéMozart zur
Regel wurde.“110
106[L.Mozart]: „Nachricht von demgegenwärtigen Zustande“,
S. 184.
107Laut dem Bericht in GutrathersAnnotationes rerum ge-
storumwarEberlin bereits alsVizekapellmeister dekretiert.
„Da ergriff sein Gegenspieler, Herr Lolli (anMusikerfah-
rung ihm aber bei weitem unterlegen) ein letztesMittel,
warf sich dem Fürsten zu Füßen und versprach für den
Fall, daß er das Amt übernehmen dürfe, ohneGehalt zu
dienen, und so erhielt er vomFürsten, der überhaupt be-
strebt war, die Ausgaben auf jedeWeise einzuschränken,
die Zustimmung zumNachteil des andern undunter dem
Murren fastdesganzenHofesundanderer.“Übersetzungzit.
nachPellegrini-Rainer, Doris/Werner Rainer: „Gi-
useppeLolli (1701–1778). Ein biographischerBeitrag zur
Musikgeschichte Salzburgs“, in:Mitteilungen der Gesell-
schaft für Salzburger Landeskunde, 106 (1966), S. 281–291,
hier: S. 285.
108DeFeo/Hochradner: „Giuseppe Francesco Lolli“, bes.
S. 215–219.
109Ebd., S. 204.
110Ebd., S. 215mitVerweis aufHochradner, Thomas: „‚B-
Komponist‘ oder:Wiewirdman ‚Kleinmeister‘?“ in:Theo-
phil Antonicek/Andreas Lindner/Klaus Petermayr
(Hrsg.): Bruckner-Symposion „Der Künstler und seine Zu diesemBefund, der eine nähere Auseinander-
setzungLollismit derGattung impliziert, fügt sich
dieBeobachtung, dass dieMehrzahl der imDommu-
sikarchiv unter demTitelSinfonia (o.ä.) überliefer-
tenWerke, die augenscheinlich als Kirchensonaten
Verwendung fanden, sofern sie nicht vonLolli selbst
stammen, durch Aufführungsvermerke oder andere
Anmerkungen Lollis in irgendeiner Weise mit die-
sem inVerbindung zu bringen sind.111Bis auf eine
anonymeKomposition und eine Sinfonia desHofkom-
ponistenFerdinand Seidel (→ S. 366) sind all diese
Werke nicht-salzburgischer Provenienz und deuten
damit auf eine stilistischeUmorientierung bei den im
Domals Epistelsonate gebrauchtenWerken.
Für die Sinfonie Seidels112, die ursprünglichwohl
als weltlichesWerk intendiert war113, lässt sich an-
hand der Eingriffe Lollis ersehen, wie einweltliches
Kammermusikstück für dieVerwendung imDomad-
aptiertwurde.Ähnliches scheint beimehreren Sona-
ten114 vonAntonioBrioschi (→S. 344) geschehen zu
sein, bei denenAdaptionen italienischerHandschrif-
tenandieVerhältnisse imDomzubeobachtensind115,
während andere Sinfonien desselben Autors116 von
Haus aus inSalzburgerAbschriftenvorliegen, die sich
aber zumTeil durchQuerformat und nicht näher be-
zeichneteBassstimmen als aus anderenAufführungs-
kontexten herstammend zu erkennen geben.
Bei zwei Sonaten, die einemAutor namens „Priuli“
bzw. „Prioli“ (GiuseppePriuli?) zugeschrieben sind
(A 1404, A 1405), liegtmöglicherweise der Fall vor,
Welt“. Brucknerhaus, Linz, 25.–27. September 2008. Be-
richt,Wien:MusikwissenschaftlicherVerlag 2010, S. 115–
129, hier: S. 116–120.
111A-Sd,A 816,A 817,A 821,A 853,A 854,A 1389,A 1396,
A 1399,A 1403,A 1404,A 1405.
112A-Sd,A 821.
113Vgl. [L.Mozart]: „Nachricht von dem gegenwärtigen Zu-
stande“, S. 186: „Hr. Ferdinand Seidl aus Falkenberg in
Schlesien.Violinist. Componirt nur für dieKammer.Hat
sehr viele Synfonien gemacht, auch Concerten und Solos
für dieViolin [...].“
114A-Sd,A 1399,A 1403.
115BeiA1403 durchHinzufügung vonDuplierstimmenderVio-
linen, zwei ergänzteClarini ad libitum sowie Stimmen für
die typischeBassgruppe bestehend ausOrgel, Fagott und
Violone (alles vonLollisHand).BeiA1399 erfolgten (durch
Lolli undRott) imWesentlichendie gleichenMaterialergän-
zungen (ohneTrompetenstimmen); drei neu geschriebene
Bassstimmen sind fürVioloncello, Fagott und „Basso“ be-
stimmt, die ursprünglicheGeneralbassstimme offenbar für
dieOrgel vorgesehen.Rotts Ergänzungen erfolgtenwie im
Domüblich imHochformat statt des italienischenQuerfor-
mats.
116A-Sd,A 1377,A 1389,A 1396.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Titel
- Musik am Dom zu Salzburg
- Untertitel
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Autoren
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Abmessungen
- 21.0 x 30.2 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Kunst und Kultur