Seite - 66 - in Musik am Dom zu Salzburg - Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
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2 Geschichte derMusik an derMetropolitankirche
benennung der „HochfürstlichenHofmusik“ in eine
„Kurfürstliche Kammer- und Hofkapellmusik“ mag
manvielleicht einenWandel ableiten, der denSchwer-
punkt des musikalischen Lebens bei Hof auf Kam-
mermusiken und vokale Darbietungen in Form von
Kantaten legte.Der Fürst, selbst ein gut ausgebilde-
terMusiker und Sänger und vor allem begeisterter
Musikaliensammler, beteiligte sich an diesenAuffüh-
rungen und gab auch einigeWerke inAuftrag. Aus
derKorrespondenzmit seiner Schwägerin, Kaiserin
MarieTherese205, erfahrenwir von einemOratorium
LuigiGattis, das amTag der hl. DreiKönige (6. Jän-
ner) aufgeführtwerden sollte. Bei diesemhandelt es
sich umGattis „Cantata“Per il Giorno dell’Epifania
die N.S. GesùCristoLG5.6, dessen autographePar-
titur samt Salzburger Stimmenmaterial sich in der
SammlungFerdinands erhalten hat.206Nach derAuf-
führung, bei der auchDominikusHagenauer zugegen
war207, berichtete Ferdinand derKaiserin:
„AbbéGattis Oratoriumwar ein großer
Erfolg.Diemusik ist sehr schwierig zu spie-
lenundzu singen, undwenn sie einenFehler
hat, so istdieser,dass sie zudickorchestriert
ist und die Stimmen zudeckt; aber es hat
allen gefallen. Sag mir ob du es möchtest
und ichwerde es kopieren lassen.“208
AuchLuigiGattiwar – ähnlichwieMichaelHaydn,
wenn auch nicht im selbenAusmaß – in die Formie-
rungdesbürgerlichenKonzertwesens eingebunden.So
war er höchstwahrscheinlich einer der „drei hiesigen
HerrnVirtuosen“, denen im Intelligenzblatt für die
Aufführung von Haydns Schöpfung zu wohltätigen
Zwecken gedanktwird.209AlsKompositionsauftrag
205Salzburg, 29.12.1804, zit. inRice, JohnA.:EmpressMarie
Therese andMusic at theVienneseCourt 1792–1807, New
York:CambridgeUniversityPress 2003, S. 53.
206I-Fc, F.P.T. 115/1.
207„Sonntag den 6ten [Jänner]Abendswurde ich vonHöchst
Selben zur neu komponirtenMusic desKapelmeisterGatti
bey derKrippe eingeladen, und blieb demnach beymSpiel
undbei der Soupé“,Hahnl/Angermüller/Angermüller:
Hagenauer. Tagebücher, S. 1021.
208Salzburg, 20.01.1805, zit. und übersetzt nachRice:Empress
Marie Therese, S. 53.
209Intelligenzblatt vonSalzburg;20.09.1800:„OeffentlicherDank.
Den drey hiesigenHerrenVirtuosen, welche dasMeister-
stückdesHerrnJosephHaydn indemOratorium,dieSchöp-
fung genannt, aufzuführen unternommenhaben,wird für
die, demhiesigenArmen=Fond gewidmete ansehnlicheGa-
be öffentlicherDank erstattet. Salzburg den 13. Sept. 1800.
Hochfürstl. Armen=Kommission allda.“ des Salzburger Buchdruckers und Verlegers Franz
XaverDuyle komponierte er gemeinsammit Adam
JosephEmmert (1765–1812)undGeorgSchinn(1768–
1833) anlässlich des Jahrestages des Einzuges von
Kurfürst Ferdinand eine dreiteiligeKantate nach ei-
nemText des HofkaplansGiambattista Varesco210,
die inDuylesPrivathausam29.April 1804aufgeführt
wurde.211DieMusik der ersten beidenTeile ist nicht
überliefert, dieMusikGattis zumdrittenTeil LG2.9
konnte jüngstwieder aufgefundenwerden.212
Nachdem auch Kurfürst Ferdinand vor der
französisch-bayerischenArmee am18.Oktober 1805
geflüchtetwar, wurde Salzburg 1806Österreich ange-
schlossen,womitdieAuflösungderSalzburgerHofmu-
sik besiegelt war.Am10.August 1806 starb Johann
MichaelHaydn. SeinBegräbnis und dieAufführung
desMozart’schenRequiems eineWoche später ander
Universitätskirche dürften die letztenAktivitäten der
SalzburgerHofmusikkapellegewesensein.Einige ihrer
Mitgliederwurden in die königlicheHofmusikkapelle
nachMünchen und in die kaiserlicheHofkapelle nach
Wien übernommen; die Ära der höfisch geprägten
Musik in Salzburgwar zuEnde – dennoch ging das
musikalische Leben in Salzburg weiter. Luigi Gatti
blieb in Salzburg und leiteteweiterhin jeneGruppe
vonMusikern, die ihmKaiser Franz I. am 21. Juni
1807213 fürmusikalischeDienste anderMetropolitan-
kirche, die trotz der politischenWirrenweitgehend
unverändertweitergingen, bewilligte.
Hatte sichLuigiGatti bereits derGunst desKur-
fürsten erfreut, dürfte er auch dasWohlwollen des
Kaisers genossen haben, denn er verfasste während
dernächstenJahre einige zumTeil umfangreicheWer-
ke, wie dasOratoriumAbels Tod LG5.8 (1806) und
dieOperLaGrotta diMerlinoLG2.11 (1807), die er
beide demKaiserwidmete. Seine letzte große drama-
210Per il gloriosissimo giorno anniversario del desideratissi-
mo ingresso in Salisburgo di Sua Altezza ... L’Arciduca
Ferdinando [...] Cantata, ordinata da Francesco Duyle,
stampatore aulico prodotta in casa sua propria li XXIX.
Aprile MDCCCIV, alla ore VI. di sera. (Musica: Parte
prima del Sigr. AdamJoseph Emmert, Parte seconda del
Sigr. Giangiorgio Schinn, Parte terza del Sigr. Luigi Gatti.
La Poesia è dell’Abate Gianbattista Varesco.). [Salzburg
1804].Textbuch.SalzburgMuseum,Bibliothek,Sign.12556.
211Glaser,Hans: „SalzburgsBuchdrucker“, in:Mitteilungen
der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, 98 (1958),
S. 149–198, hier: S. 157f.
212FreundlicheMitteilung vonAlessandro Lattanzi.
213Abschrift des kaiserlichenDekrets inAES,Dommusikverein
undMozarteum,AT-AES-1.2.AXd 262.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Titel
- Musik am Dom zu Salzburg
- Untertitel
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Autoren
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Abmessungen
- 21.0 x 30.2 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Kunst und Kultur