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3 DerDomals Stadtpfarrkirche
auchvonden sogenannten„Schreibern“gesprochen.11
Von einer geordnetenOrganisation derMusik an den
städtischenPfarrkirchen kann demnach vorEnde des
16. Jahrhunderts nicht dieRede sein.
NachdemderKonvent der Petersfrauen vonFürst-
erzbischofWolfDietrich vonRaitenau 1583 aufgelöst
unddasKlosterdenFranziskanernübergebenworden
war,übernahmendiese1592auchdieStadtpfarrkirche
samt allen Pflichten. Zudemwurde die nunmehrige
Franziskanerkirche nach demBrand des altenMüns-
ters1598 fürdreiJahrzehnteMetropolitankirche.Erst
nachderWeihedesNeuenDomesimJahre1628waren
die Franziskanermit ihren Bemühungen, die stadt-
pfarrlichenPflichten abzugeben, erfolgreich:Am22.
Oktober1635wurdedasvollePfarrrechtaufdenDom
übertragen.12DieBezeichnung„Stadtpfarrkirche“ für
die Franziskanerkirche hielt sich jedoch hartnäckig:
ObwohlFürsterzbischof JohannErnst vonThunnoch
1701 verordnete, dass diese anstatt desTitels „Pfarr-
kirche“ oder „Stadtpfarrkirche“ nur dieBezeichnung
„KircheUnserer LiebenFrau zu denFranziskanern“
tragendürfe, bliebdie alteBenennung inderBevölke-
rung bisweit ins 18. Jahrhundert hinein gebräuchlich
undwird fälschlicherweise gelegentlich bis heute ver-
wendet.13
Bis zurErrichtung derPfarreMülln imJahre 1464
war die demDomkapitel zugeordnete Stadtpfarre die
einzigePfarre in der Stadt und derUmgebung gewe-
sen.Nach undnach hatten sich jedoch, vor allem in
ZusammenhangmitVersorgungsanstalten fürKranke
undAlte, andere Seelsorgestellen entwickelt, die von
der Stadtpfarre aus versehenwurden, z. B. dasBür-
gerspital, dasErhardspital imNonntal und dasBru-
derhaus zuSt. Sebastian.Auchdie Seelsorge inGnigl,
Aigen undMorzgwurde von einemDomkooperator,
demsogenannten„Ausreiter“besorgt. 1588wurde ein
dritterKooperator für die Filialkirche St. Andrä (da-
11Spies: „DieTonkunst in Salzburg“ [Teil 2], S. 89.
12Greinz, Christian:Die fürsterzbischöflicheKurie und das
Stadtdekanat zu Salzburg, Salzburg:Verlag des fürsterzbi-
schöflichenKonsistoriums 1929, S. 169.
13Vgl. z.B. dasTagebuch des Fr. Heinrich Pichler während
seines Studiums an der Salzburger Universität 1745–1748,
veröffentlicht in:Martin: „Vom Salzburger Fürstenhof“
[Teil 1], S. 29: „Auf dieNachtwurdederGraf Josephbegra-
benadFranciscanos indieBfarkirchennachderobegehren.“
Die letzte uns bekannte irrtümliche Verwendung des Na-
mens „Stadtpfarrkirche“ für die Franziskanerkirche findet
sich in der 2005 erschienenenSalzburgerMusikgeschichte.
Vgl.Hochradner: „ZwischenHöhepunkten“, S. 247. mals in der Linzergasse) eingesetzt. 1695wurde eine
wirkliche Stadtkaplanei jenseits derBrücke errichtet,
1783 St. Blasius (Bürgerspitalskirche) zurKaplanei
erhoben.14 Im 18. Jahrhundert hatten sich St. Se-
bastian (mit demFriedhof), St. Andrä (beide in der
Linzergasse) unddieBürgerspitalskirche alsHaupt-
kirchen der Stadtpfarre neben dem Dom etabliert.
Die dort ansässigen zunächst zwei, danndrei Stadt-
kaplänewaren dieVorgesetzten der Stadtpfarrmusi-
kanten, die bei allenEntscheidungen,Anstellungen
etc. demErzbischof respektive demKonsistorium zu
berichtenhatten.Alle von ihnenbetreutenSalzburger
Kirchen undKapellen15wurden von den Stadtpfarr-
musikantenmusikalisch versorgt. In denDokumenten
erwähntwerden unter anderemSt. Johannes am Im-
berg, St. Georg (Festung), St. Rochus, das Kloster
Maria Loreto, eineKapelle imChiemseehof, die „Ro-
the und Schwarze Bruderschaftskirchen“ sowie die
Kirchen inMorzg undAigen.DasEinzugsgebietwar
damit recht groß und die zu bewältigenden Diens-
te zahlreich,wenngleich anmanchen der genannten
Kirchen nur ausgewählteGottesdienstemusikalisch
umrahmt wurden. Der Organist Joseph Sandmayr
merkt 1804 an, dass er „umvieles rükstehe, weil ich
in Versehung des Dienstes nicht nurMühe verwen-
den, sondern auch inRüksicht dessen vorzüglich auf
Schuhe beträchtliche[n]Aufwandmachenmuß, und
überhaupts derOrganistendienst immer geschäftsvol-
ler wird.“16
3.2 DieNeuorganisation der
Stadtpfarrmusikanten
Bereits 1589 hatte FürsterzbischofWolfDietrich im
Zuge einer Neuordnung der Verwaltung der Stadt-
pfarrkirche angeordnet, dass von denEinkünften der
Stadtpfarre drei Priester und einMesner, aber auch
14Vgl.Greinz:Kurie und Stadtdekanat, S. 169.
15Selbstverständlichwurden nicht alleGottesdienste an allen
diesenKirchen von den Stadtkaplänen gehalten:AmBür-
gerspital etwa gab es einen eigenenPriester, für bestimmte
Anlässe aberwaren die Stadtkapläne zuständig, wobei die
EntfernungderKirchemit derHäufigkeit derZuständigkeit
der Stadtpfarre in umgekehrt proportionalemVerhältnis
stand. So konnten etwa fürMorzg nurwenigeHinweise auf
eineTätigkeit der Stadtpfarrmusikanten gefundenwerden.
Vgl. AES,Dompfarre, AT-AES 5.144, Schachtel 110.
16Eingabe Sandmayrs an dasKonsistoriumvom9. Juni 1804,
AES,Altbestand,AT-AES 1.2.5/25/15.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Titel
- Musik am Dom zu Salzburg
- Untertitel
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Autoren
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Abmessungen
- 21.0 x 30.2 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Kunst und Kultur