Seite - 107 - in Musik am Dom zu Salzburg - Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
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Wenn uns daher das Ausmaß der Salzburger
Mozart-Rezeption im frühen 19. Jahrhundert (und
wohl auch noch nach Errichtung des Mozart-
Denkmals)bescheidenerscheint, sowohlweniger,weil
MozartsMusik im„kulturellenNiedergang“anBedeu-
tung verloren hätte, sondernweil sie dieBedeutung,
diewir ihr inRückprojektionheutigerVerhältnissebei-
messen, imSalzburg des 18. Jahrhunderts nie besaß.
DieQualität derMusikMozarts unddie zunehmende
Intensität ihrer Rezeption ab dem 19. Jahrhundert
sollten uns nicht darüber hinwegtäuschen, dassMo-
zartsWerke im 18. Jahrhundert einen verschwindend
geringenTeil der amDomgepflegtenMusik ausmach-
ten. Andere Komponisten wie Matthias Siegmund
Biechteler,KarlHeinrichBiber, JohannErnst Eber-
lin, LuigiGatti oder JohannMichaelHaydn–umnur
diewichtigstenzunennen–trugenungleichmehrzum
MusikrepertoireanderSalzburgerMetropolitankirche
bei. Bedenktmanweiter die Bedeutung des gregoria-
nischenChorals oder die anhaltendePflegemancher
schon im frühen 17. Jahrhundert inChorbüchern ko-
difiziertenPropriumsgesänge, so lässt sich ermessen,
dassMozartsMusik zu seinenLebzeiten imDom(wie
in den zahlreichen anderenKirchen der Stadt) kaum
je auch nur annähernd jene dominierende Präsenz
erlangen konnte, die sie imheutigenMusikleben oder
immusikhistorischenDiskurs innehat.
Eine Darstellung vonMozartsWerk imKontext
der SalzburgerDommusik kann aufgrund der Sonder-
stellungMozarts nicht anders, als entweder die Re-
lationen zwischenGesamtgeschichte und exklusivem
Ausnahmefall gänzlich unverhältnismäßig wiederge-
ben oder inBezug aufMozart vorsätzlichweit hinter
den aktuellenKenntnisstand zurückfallen.DaLetz-
teres ausgeschlossen ist und ersteres unswiderstrebt,
erschien es uns ratsam, dieGeschichte der Salzburger
Dommusik vom 17. bis ins 19. Jahrhundert in den
Blick zu nehmen, um imAnschlussMozartsWirken
amSalzburgerDom separat darzustellen.
S. 29–44;Laubhold, LarsE./EvaNeumayr: „Repertoire
und Repertoireentwicklung in der Musik am Salzburger
Dominder erstenHälftedes 19. Jahrhunderts.Beobachtun-
gen amMusikalienbestandDommusikarchiv imArchiv der
Erzdiözese Salzburg“, in:Dominik Šedivý (Hrsg.): Salz-
burgs Musikgeschichte im Zeichen des Provinzialismus?
Die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts. Bericht ei-
nerTagung der Forschungsplattform „SalzburgerMusikge-
schichte“, 23. bis 25. September 2012,Wien:Hollitzer 2014,
(Veröffentlichungen der Forschungsplattform „Salzburger
Musikgeschichte“, 2), S. 45–69. WolfgangAmadéMozartwar alsHofkonzertmeis-
ter von 14.November 1769 (zunächst unbesoldet, ab
9.August 1772besoldet) bis 1. September 1777 sowie
alsHoforganist von 17. Jänner 1779 bis 8. Juni 1781
ungefähr 10 Jahre lang imDienst der SalzburgerHof-
musikkapelle unddamit auch als ausübenderMusiker
mit der kirchenmusikalischenPraxis konfrontiert.Die
für die Produktion derMozart’schenKirchenmusik
bedeutsamereKonstellationwar allerdings, dass Leo-
poldMozart alsVizehofkapellmeister ab 1763 an der
Organisation derMusik an derMetropolitankirche
entscheidendenAnteil hatte.
Welche herausragendeRolle LeopoldMozart damit
überJahrzehnte fürdiegesamteOrganisationderHof-
musik zukam, ist erst durch jüngere Forschungen in
ganzerTragweite erkennbar geworden.16 Seine orga-
nisatorischenFunktionen versah er zumTeil während
der ausgedehntenReisen, für die ihnFürsterzbischof
SigismundChristophGraf Schrattenbach imUmfang
von insgesamt ca. sechs JahrenbeiFortzahlung seiner
Bezüge freistellte unddieder jungeMozart auchnach
demRegierungsantritt Fürsterzbischof Hieronymus
Colloredos imMärz 1772 zunächst fortsetzte. Insbe-
sondere diesenReisen, später auch derÜbersiedlung
von Leopolds Kindern nachWien bzw. St. Gilgen
verdanken sichdie vielfältigenKorrespondenzen, die –
wenn auch nicht vollständig erhalten –Einblicke in
lange unbeachtet gebliebeneAufgabenbereiche Leo-
poldMozarts am Salzburger Hof gewähren und in
Teilbereichen durch neueQuellenfunde ergänztwer-
den.
Sowar LeopoldMozart nicht nurwiederholt in die
Anschaffung neuer Instrumente17 undMusikalien18
fürdenHof involviert, sondern er führteGehaltslisten
über dieMitglieder derHofmusik, die als direkteVor-
lagen fürdieBesoldungsbücherdesGeneraleinnehmer-
und Hofzahlamtes dienten.19 Ebenso war er beauf-
16DasFolgende nachMorgenstern,Anja: „DasVerhältnis
vonLeopoldMozart undFürsterzbischofHieronymusCol-
loredo.NeueQuellenfunde zuMozartsTätigkeiten alsVi-
zekapellmeister“, in:Eva Neumayr/Lars E. Laubhold
(Hrsg.):Keine Chance für Mozart. Fürsterzbischof Hie-
ronymusColloredo und sein letzter Hofkapellmeister Luigi
Gatti (1740–1817). Symposiumsbericht, Lucca: Libreria
Musicale Italiana 2013, (Veröffentlichungen zur Salzbur-
gerMusikgeschichte, 10; zugl.Musicologica Transalpina, 2;
zugl. Schriftenreihe des Archivs der Erzdiözese Salzburg,
12), S. 223–258.
17Ebd., S. 232–235.
18Ebd., S. 236.
19Ebd., S. 236–239.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Titel
- Musik am Dom zu Salzburg
- Untertitel
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Autoren
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Abmessungen
- 21.0 x 30.2 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Kunst und Kultur