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4 SonderfallMozart
imCatalogus Musicalis eingetragen sind, ist leicht
erklärt: Joseph Richard Estlinger bekam den Auf-
trag, Inventare zu erstellen, ganz sicher erst nach
demDienstantritt LuigiGattis am14. Februar 1783
(→S.63)undhättedannbis1787,demZeitpunkt,als
MariaAnnaMozart einenTeil derAbschriften nach
Augsburgschickte,Zeitgehabt,dieMozart’schenWer-
ke zu inventarisieren.DaLeopoldMozart aber nicht
der einzige war, der Musikalien bei sich zu Hause
aufbewahrte (→ S. 188), dürfte Estlinger zunächst
die in den Domkästen verwahrtenMusikalien, dar-
unter auch einigeMozart’scheWerke, aufgenommen
haben. Zu den beiAngehörigen derHofmusikkapelle
verstreutenBeständen kamer vor seinemTod 1791
nichtmehr.
Argument für eine Zugehörigkeit derAugsburger
Quellen zumBestandderSalzburgerHofmusik ist vor
allem, dass LeopoldMozartwohl kaum, hätte er die
Notenprivatabschreiben lassen, alleStimmen,wie sie
fürdenSalzburgerDomüblichwaren,hätte schreiben
lassen (3Posaunen-, 2Orgelstimmen, transponieren-
deOboen), die ja an anderenAufführungsorten gar
keinen Sinn gehabt hätten.
Abschriften für den Salzburger Dom zeigen über
dieSchreiberhinausgewisseMerkmale,die esmöglich
machen, sie eindeutig zu identifizieren:
1. Die baulicheBeschaffenheit desDomes unddie
Aufstellung derMusiker an verschiedenenOrten
machte esnotwendig,mindestens zweiOrgelstim-
men zu kopieren, dazu kam eineDirektionsstim-
me für den Kapellmeister, die gewöhnlich als
„Battuta“ bezeichnet ist.
2. Drei Posaunenstimmen für die zwar dieRipienis-
ten im Presbyterium verstärkenden, aber vom
Prinzipal-Chor aus agierendenThurner sind in
fast allen Stimmenkonvoluten vorhanden.
3. StimmenfürOboen,beigroßenBesetzungengele-
gentlich auch solche für zusätzlicheFagotte, sind
öfters transponierend notiert, und zwar immer
dann,wenn imDomdie imKammertongestimm-
ten Instrumente desHofesmitverwendetwurden
(→S. 165).
4. BisMitte der 70er-Jahrewurde für dieAbschrif-
ten häufigPapier aus derPapiermühle Lengfel- den,Raitenhaslach undBraunau verwendet, da-
nach italienischePapiere, vor allemaus derRe-
gionToscolano amGardasee (→ S. 222).
Wenn nun imFalleMozarts JosephRichard Est-
linger, Maximilian Raab oder Felix Hofstätter am
Kopieren beteiligtwaren undnoch andere der oben
erwähntenMerkmale dazukommen, ist dieAnnahme,
die Abschrift sei für die kirchenmusikalischenAkti-
vitäten der SalzburgerHofmusikkapelle entstanden,
gerechtfertigt. Überdies sind sowohl die imDommu-
sikarchiv als auch im Bestand des Klosters Heilig
Kreuz verwahrtenAbschriften der Posaunenstimmen
des öfterenmit den Initialen derThurnergesellen ver-
sehen47, eineTatsache, die eineAufführung imDom
nachgerade beweist.
DasKopieren vonMusikwar im18. Jahrhundert
sehr oftmit demHandelmitMusikalien verbunden:
ProfessionelleKopistenmachten häufig doppelteKo-
pien und verkauften diese imFalle vonKirchenmusik
anumliegendeKlöster.Vonden fürMozartwichtigen
Kopistenwaren es vor allemEstlinger undHofstät-
ter48, diemitNoten handelten.49AuchLeopoldMo-
zart schlug aus demTalent seines SohnesKapital, in-
dem er sorgfältig korrigierte, damit also authentische
Abschriften u.a. an dieBenediktinerabtei Lambach
lieferte: Diese befinden sich heute teilweise dort, teil-
weise aber – als Leihgabe des StadtarchivsAugsburg
(D-Asa) – in der Staats- und StadtbibliothekAugs-
burg (D-As).50AuchandieErzabtei St. Peter gingen
gelegentlich solcheKopien,wennnicht dieWerke,wie
im Falle derDominicus-MesseKV 66 und des Of-
fertoriums „SanctaMaria, mater dei“ zu vermuten
47Vgl. z.B.D-Ahk,Hl.Kr. 1KV65 undHl.Kr. 8KV275.
48Mozartwusstedasundwarentsprechendvorsichtig:„–wegen
der Sinfonie bin ich nicht heicklich, allein die 4 concerte
bitte ich /:bey sich imhause abschreiben zu lassen:/ denn
es ist den kopisten in Salzburg sowenig zu trauen, als den
inWienn; – ichweis ganz zuverlässig, daßHofstetter des
HaydnMusique dopelt copiert – ich habe seineNeuesten 3
Sinfonienwirklich.“Bauer/Deutsch:Mozart. Briefe und
Aufzeichnungen, Bd. 3, S. 313, 15.Mai 1784.
49BezüglichHofstätter vgl. z.B.Abschriften derGradualien
von Johann Michael Haydn in St. Peter und in Einsie-
deln (Neumayr/Laubhold: „DieQuellen der Salzburger
Dommusik“); bezüglichEstlingersAbschriften für dieBene-
diktinerabtei Seeon vgl.Münster, Robert: „Mozart und
Seeon“, in: ‚Ich bin hier sehr beliebt‘.Mozart und das kur-
fürstliche Bayern, Tutzing: Schneider 1993, S. 210–215,
hier: S. 213f.
50DieQuellen ausLambachwaren ab 1941 teilweise bereits als
Leihgaben inAugsburg undwurden in den 1950er-Jahren
von der StadtAugsburg angekauft.Wir danken unserem
KollegenChristophGroßpietsch für diese Informationen.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Titel
- Musik am Dom zu Salzburg
- Untertitel
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Autoren
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Abmessungen
- 21.0 x 30.2 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Kunst und Kultur