Seite - 124 - in Musik am Dom zu Salzburg - Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
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5 Aspekte derAufführungspraxis
anlässlich derDomweihe, dieHofkapellmeister Stefa-
noBernardi (1577–1637) leitete, wurden dieMusiker
gar auf zwölfChöre aufgeteilt.7Bis zurFertigstellung
desBauwerks 1643wurden auch noch die fehlenden
zweiOrgeln an denwestlichenPfeilern eingefügt.
Der mehrchörige Stil Salzburger Prägung wurde
von denBernardi nachfolgendenHofkapellmeistern
wieAbrahamMegerle (1607–1680)undAndreasHofer
(1629–1684)weiterentwickelt und fand in denWerken
Heinrich IgnazFranzBibers, insbesondere in seiner
vermutlich zur elften Säkularfeier derGründung des
Erzstifts Salzburg im Jahr 1682 komponiertenMissa
Salisburgensis samt Hymnus „Plaudite Tympana“,
ihrenHöhepunkt.8Um1675, vermutlich bereits im
Hinblick auf diesenAnlass, schufMelchiorKüsell eine
Stichradierung (Abb. 5.1), die einemusikalischeAuf-
führung jener Zeit imSalzburgerDomderNachwelt
bildlich überliefert.Obwohl die einzigartigeDarstel-
lung keinen präzisenEinblick in die Zahl derAusfüh-
renden unddie zurAufführung verwendeten Instru-
mente gibt, ist sie doch eine derwichtigstenQuellen
bezüglich der Platzierung derMusiker imSalzburger
Dom.
Melchior Küsells9 Kupferradierung hält die Auf-
führung einesmittelgroß besetzten sakralenMusik-
werkes10 an einemhohenFesttag fest.Während sich
imPresbyterium zweiVokalgruppen und eineBasso-
continuo-Gruppemit einemRegal und einemViolone
befinden, stehen auf denwestlichenEmporen die für
einFestumPalliummandatorischenTrompeter und
mehrere Personen, die eventuell Sänger sein könnten.
Diemit denTrompetern in der Regel auftretenden
ErnstHintermaier (Schriftleitung):Festschrift zurWeihe
der neuen großenOrgel imSalzburgerDom1988, Salzburg:
Konsistorialarchiv 1988, S. 9–24, hier: S. 9.
7Vgl.Hintermaier: „Es kundt imHimmel“, S. 140.
8Hintermaier: „Missa Salisburgensis“;Hintermaier: „Es
kundt imHimmel“.
9Geboren 1626 inAugsburg, gestorben 1683 ebenda, erhielt
er seineAusbildung durch den berühmtenFrankfurterRa-
dierer undVerlegerMatthäusMerian d.Ä., der auch sein
Schwiegervater wurde. Für Salzburg schufKüsell außer der
Dominnenansicht auch Ansichten vonMaria Plain, Hell-
brunn und einen Stich derUniversitäts-Triumphpforte von
1682.Vgl.Hahnl,Adolf: „DieKupferradierung alsKunst-
werk“, in:ErnstHintermaier etal. (Hrsg.):Die Innenan-
sicht des SalzburgerDomes. Kupferradierung vonMelchior
Küsell (um 1675). [Kommentar zumFaksimile], Salzburg:
Pustet 1992, (Veröffentlichungen zur SalzburgerMusikge-
schichte, 4, zugl.Schriftenreihe des SalzburgerKonsistori-
alarchivs, 2), S. 9–13.
10Chafe vermutet dieAufführung einesWerkes von derGrö-
ßenordnung derMissaAlleluia.Chafe:TheChurchMusic
of Heinrich Biber, S. 119f. Pauker sind nicht zu sehen. Auf den östlichen Em-
poren finden sich auf demChor auf der linken Seite
drei Sänger, einOrganist, Posaunisten, Cornettisten
und einDirigent, auf demzweitenChor rechts vom
Altar Streicher, ein weiterer Organist, ein Dirigent
und zusätzliche Sänger.11
WieKüsells Radierung veranschaulicht, waren die
äußeren Kennzeichen des im 17. Jahrhunderts vor-
herrschendenmehrchörigen Stils eine Organisation
derMusiker undVokalisten in sogenannteCori und
derenVerteilung auf verschiedeneMusikeremporen
und imPresbyterium.Typisch für Salzburg und den
süddeutschen Raumwar, dass vielstimmigeWerke
keineswegs aus lauter unabhängigen Stimmenbestan-
den, sondern zahlreiche Instrumente den Chorsatz
colla parte begleiteten.Während die Feierlichkeit des
FestesoftmitderGrößederBesetzungkorrelierteund
die Anwesenheit des Fürsterzbischofs als Zelebrant
etwadenEinsatz vonTrompeten undPaukenbeding-
te, war damit andererseits die Zahl der eingesetzten
MusikerkeineswegsvonderAnzahlderunabhängigen
StimmendesWerkes abhängig. Selbst ein so kolossa-
lesWerkwie dieMissa Salisburgensismit ihren 53
Stimmen lässt sich auf zweimal achtVokalstimmen
reduzieren, von den Instrumenten sind nur die erste,
manchmal auch die zweite Violine und die Clarini
undTrombe selbstständig geführt, alle übrigen (Flö-
ten,Oboen,Cornetti, Posaunen,Violen) gehen in der
Regel colla partemit denVokalstimmen.
Dass derWechsel zwischenChor (Ripienisten) und
Solisten intendiertwar, aber bei Sängermangel durch-
aus auch kleinereBesetzungenmöglichwaren, erklärt
AndreasHofer imVorortseinesVerSacrum167712 fol-
gendermaßen: „DerBuchstabe S kennzeichnet Einzel-
oderKonzert-Stimmen, imGegensatz hierzu bezeich-
net R einen stärkeren Gesangschor, wenn die grös-
11Das entspricht nicht der späteren Praxis, dergemäß sich
derPrinzipal-Chormit Sängern,Dirigent, Basso-continuo-
Gruppe undPosaunen rechts vomAltar befand, die Strei-
cher jedoch auf der Empore linkerHand. (→S. 160).
12VERSACRUM/SEV/FLORESMUSICI, /QuinqueVo-
cibus & todidem Instrumentis producendi, / ET PRO /
OFFERTORIIS /POTISSIMUMPRINCIPISACDOMI-
NI,DOMINIMAXIMILIANI /GANDOLPHI; / EXS.R.I.
COMITIBUSDEKHÜENBURG, /ARCHIEPISCOPISA-
LISBURG. / S. SEDISAPOSTOLICAELEGATINATI, /
GERMANIAEPRIMATIS,&c. /AUTOHORE/ANDREA
HOFER,EcclesiaeMetropolitanye Salisburgens.Regente
Chori&CapellaeVice-Magistro. /M.DC. LXXVII. /OR-
GANUM./SALISBURGI,/TypisJOANNISBAPTISTAE
MAYR.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Titel
- Musik am Dom zu Salzburg
- Untertitel
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Autoren
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Abmessungen
- 21.0 x 30.2 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Kunst und Kultur