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5 Aspekte derAufführungspraxis
sere Zahl der Musiker einen solchen gestattet und
was jener, der an Sängermangel leidet, bleiben lassen
muss.“13Besetzungenwaren demnach variabel – es
war durchausmöglich,Werke, die für den Salzburger
Domunddie dortmusizierendeHofmusikkapelle ge-
schriebenwaren, fürkleinereEnsembleszuadaptieren.
AndererseitswarendieMöglichkeitenzumVerkleinern
derBesetzung insofern begrenzt, als dieAufstellung
inmehreren instrumentalenundvokalenGruppen ein
wichtigesCharakteristikumdes Stils war.
Zwischen 1700 und 1730 begann sich diemusikali-
scheBesetzungspraxis amSalzburgerDomzu verän-
dern: Instrumentewie Zinken (→ S. 169), die vorher
schon obsolet gewesen waren, verschwanden ganz –
undmit ihnen der selbstständig geführte Chor der
Zinken und Posaunen. Letztere wurden zu reinen
Colla parte-Instrumenten, die fortan denVokalchor
verstärkten. LetzteReminiszenz an den im17. Jahr-
hundertüblichenViolen-Chor (→S.150)bliebenzwei
Bratschen, die gelegentlich bis in die 70er-Jahre in
derBesetzung auftauchen.14
DieOrganisation in vonMusikstück zuMusikstück
variablenCori verfestigte sich nun zu einer Beset-
zungsform,die sowohl diePlatzierungderMusiker im
Domals auch die Auswahl der Instrumente an den
verschiedenen Festen regelte. Anscheinend geschah
dies aber allmählich, zumalUnklarheiten entstanden,
woMusiker zu stehen und wer zu dirigieren hatte,
sodass Fürsterzbischof Leopold Anton Eleutherius
Freiherr von Firmian sich bald nach seinemRegie-
rungsantritt imOktober 1727 gezwungen sah, zwei
Dekrete herauszugeben, umdiesbezügliche Streitig-
keiten zu regeln.Die Existenz der erstenVerordnung,
die vermutlich inVorbereitung auf die Feierlichkeiten
zur hundertstenWiederkehr derDomweihe erlassen
wurde, erschließt sich lediglich aus der zweiten, die
folgendermaßen lautet:
„Wür haben zwarwegen der zwischen de-
nenChorRegenten undUnsererHoffmusik
entstandeneZwistigkeiteneinDecretunterm
11. August 1728 ausfertigen lassen, in der
Zuversicht, eswürden durch selbiges obige
irrungen völlig beigelegt und abgethan sein,
13Zit. nachRosenthal: „Zur Stilistik“, S. 86,Anm. 48.
14A454: LeopoldMozart, Lauretanische Litanei (LMV II:Es
1),A1127:W.A.Mozart, Sakramentslitanei (KV125) und
Regina coeli (KV127). zumahlen aber seithero sich einwidrigesmit
neuenmißverständnißen ereignet, welchem
Wür zur stüfftung eines bestendigen Frie-
dens und geziemendter einigkheit genedigst
vorbeigenwollen, So verordnenWür hiemit
genedigist:
1o [Primo]Das in Zukhonfft in festis Pal-
lii, die Tertia, all dritenMonathssontägen
und anderen Festen sowohl Praepositi, als
Decani undCanonici, dieÄmbter auf dem
oberenChor solemniter gehaltenwerden sol-
len, welches
2o [Secundo]Auf dieRogationstegen, und
wannsonstenbeyeinemUmbgangeinAmbt
gehaltenwürde, zu verstehen, es seyenwür
gegenwärtig oder nicht, und sollte sich
3tio [Tertio] Ein Zufahl begeben, das bey
einem umbgang unser Capellmeister oder
ViceCapellmeister nicht erscheinen khänn-
ten, so solle man sich bey uns selbst der
tactirung halber gehorsambst anfragen und
erwarthen,wemwir zu solcher verrichtung
damahls genedigist bestellenwerden.
Welich ein so andereswürdemHr.Domb-
dechanten zur wissenschaft und damit es
auchdenenChorregentenbekhandtgemacht
werde hiemit anzeigenwollen.
ActumetDecretumSalzburg 30.May an-
no 1729“15.
In diesemDekret ordnet Firmian explizit an, alle
Messen seien ab diesemZeitpunkt „auf demoberen
Chor solemniter“16 zuhalten.Mitdem„oberenChor“
ist eine – oder beide – der vorderenMusikerempo-
ren gemeint, während der Domchor, bestehend aus
Domchorvikaren und -choralisten, seinenPlatzwei-
terhin um ein Orgelpositiv im Presbyterium hatte.
„Solemniter“ ist in diesemFall offenbar alsGegensatz
zu „choraliter“ zu lesen undmeint demnach in etwa
„feierlich,mit Instrumenten“, ist aber noch nicht ste-
reotyp imSinne von „mitTrompeten undPauken“,
15AES, Domkapitel Protokoll 1729, fol. 131f. zit. nach
Peregrinus: „Kapellhaus“, [Teil III–V (1889)], S. 117f.
16Peregrinus irrtmit seinerAnsicht, der Erzbischof habe den
Musikern in diesem Dekret die großeWestempore zuge-
wiesen und die Musikeremporen unter der Kuppel seien
zu diesemZeitpunkt obsolet geworden. Vgl. ebd., S. 118.
AuchRosenthal vertritt diese Ansicht.Rosenthal: „Zur
Stilistik“, S. 91,Anm. 83; vgl. auch S. 129.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Titel
- Musik am Dom zu Salzburg
- Untertitel
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Autoren
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Verlag
- Hollitzer Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Abmessungen
- 21.0 x 30.2 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Kunst und Kultur