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RÄUME DER HERRSCHAFTSREPRÄSENTATION IN
DER MUSIKTHEATER-KULTUR AM WIENER KAISERHOF
VON LEOPOLD I.
Susanne Rode-Breymann
Raum und theatrales System
»Keine Kunstform war geeigneter, die spektakulären Schaueffekte des Barock umzu-
setzen, als das Theater. Mit theatralischen Festzügen, prunkvollen Opernaufführungen
und opulenten Rossballetten wussten sich die Herrscher im 17. und 18. Jahrhundert
in Szene zu setzen. Erfindungsreiche Künstler schufen dafür Ausstattungen, die bis
heute unübertroffen sind« – so wurde die im März 2016 im Theatermuseum Wien er-
öffnete Ausstellung Spettacolo barocco! Triumph des Theaters1 auf der Homepage des
Museums angekündigt. Sofort denkt man an die phantastischen Barocktheaterbauten
wie in Drottningholm, Bayreuth und Gotha.
Auch in Wien gab es ein solch repräsentatives Theater: Das »Comödihauß auf der
Cortina«, 1666–67 anlässlich der ersten Eheschließung von Leopold
I. entstanden, war
das erste aus Holz auf steinernem Fundament gebaute freistehende Theatergebäude in
Wien. Erstaunlicherweise war dieses aufwändige Theater nur ein Spielort unter vielen.
Auf den ersten Blick scheint es ein frappierender Widerspruch, dass innerhalb des da-
maligen theatralen Systems, das auf schnelle Produktion zielte, weil in rascher Folge
immer neue Musiktheaterwerke auf die Bühne zu bringen waren, am Wiener Kaiserhof
gut 50 verschiedene Räume bespielt wurden.2 Mit zunächst ca. 30 bespielten Räumen
etablierte sich dort bis 1676 eine räumliche Praxis, die die Aneignung und Beherrschung
von Räumen vorführte und damit, so Pierre Bourdieu,3 die privilegierteste Form von
Herrschaft nutzte. Nach 1677 spielte der Raum als »zentrales Dispositiv der Macht« und
»der Repräsentation«4 eine noch größere Rolle im Prozess der Ausdifferenzierung des
Gattungsfeldes Oper am Wiener Hof.
Volker Bauer hat den Hof als einen »Ort der ›analogen Repräsentation‹« beschrieben,
»der sich der Zuteilung von ›Recht auf den Raum‹« bediene: Im Zeremoniell sei den In-
dividuen eine »spatiale Position« zugebilligt worden, die »exakt ihrer sozialen Stellung
1 Ausst. Kat. Wien 2016.
2 Vgl. dazu: Rode-Breymann 2010. Der vorliegende Text basiert auf dieser Studie.
3 Bourdieu 1991, S. 31.
4 Assmann 2009, S. 15.
Veröffentlicht in: Margret Scharrer, Heiko Laß, Matthias Müller: Musiktheater im höfischen
Raum des frühneuzeitlichen Europa. Heidelberg: Heidelberg University Publishing, 2019.
DOI: https://doi.org/10.17885/heiup.469
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Buch Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur"
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Titel
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Untertitel
- Hof – Oper – Architektur
- Autoren
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Herausgeber
- Matthias Müller
- Verlag
- Heidelberg University Publishing
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Abmessungen
- 19.3 x 26.0 cm
- Seiten
- 618
- Schlagwörter
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Kategorie
- Kunst und Kultur