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Susanne Rode-Breymann
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in der hierarchischen Rangordnung«5 entsprochen habe. Diesem Raumdenken folgte die
theatrale Praxis in Wien während der Regentschaft von Leopold I., d. h. es finden sich
analoge Strukturen zur zeremoniell »differenzierten Zuteilung des höfischen Raumes
an die einzelnen Hofangehörigen in Entsprechung zu ihrem Status«.6
Theaterräume standen somit im Dienst der Visualisierung symbolischer Ordnung.
Dabei wurden Räume sehr verschiedener Größe zu Bühnenräumen umgestaltet
– etwa,
wenn das Kaiserpaar auf Reisen ging: In Linz spielte man 1677 die Geburtstagsoper für
Kaiserin Eleonore Magdalena (das Dramma per musica Hercole acquistatore dell’immor-
talità) »auf einer […] im Landhaus – wahrscheinlich in dem 330 m2 großen Sitzungs-
saal – errichteten Bühne«, welche »mit viel Mühe und großem Aufwand mit sieben
verschiedenen Bühnenbildern und fünf Bühnenmaschinen ausgestattet«7 worden war.
In Pressburg wurde 1688 ein Saal im Palais des Grafen Pállfy für eine temporäre Büh-
nen-Architektur genutzt.8
Denkt man sich in viele dieser Säle Bühnenbild und Musiker hinein, so bleibt nur wenig
Platz für Zuhörende und Zuschauende
– und das war gewollt. In der räumlichen Praxis des
Theatersystems am Wiener Hof bestand ein untrennbarer Zusammenhang zwischen der
Entscheidung, welche Räume bespielt wurden und wer zu diesen Räumen zugelassen war.
Der »Grad der Öffentlichkeit« einer Opernaufführung, so Bernhard Jahn, sei »vorher fest-
gelegt« worden: für eine »Kammeraufführung, bei der alle Rollen von fürstlichen Personen
gespielt« wurden, ohne dass »ein Publikum daran« teilgenommen habe »oder schriftliche
Nachrichten nach außen gegeben« worden seien, habe höchste »Geheimhaltung« gegol-
ten, und weiter: »Der Grad der Geheimhaltung läßt sich nun stufenweise lockern, indem
man Opern vor dem gesamten Hof aufführt, außerhöfische Gäste aus der Stadt oder den
anderen Höfen teilnehmen läßt, Libretti oder Kupferstichfolgen druckt und Berichte über
die Aufführung publiziert. Der Stimulationscharakter entsteht nicht dadurch, daß hier nur
gespielt würde, sondern daß der Grad der Öffentlichkeit optimal reguliert werden kann. Der
Fürst hat die mediale Zentralposition eines Regulators von Öffentlichkeit inne.«9 Das
heißt
es gab Räume mit verschiedenen Graden von Öffentlichkeit, was u.
a. die protokollarischen
Absprachen zwischen Hof und internationalen Diplomaten10 belegen: »Die unterschied-
lichen Aufführungsorte bestimmten die Möglichkeiten des Zutritts, die Zusammensetzung
und die zeremonielle Anordnung des Publikums ebenso wie die Gestaltung des für die Zu-
schauer vorgesehenen Platzes«,11 so fasst Andrea Sommer-Mathis zusammen.
5 Bauer 1997, S. 38.
6 Ebd., S. 37.
7 Seifert 1988, S. 52.
8 Zur Tradition der temporären Bühnenarchitektur vgl. Sommer-Mathis 1995.
9 Jahn 2005, S. 357.
10 Vgl. dazu u.
a. Sommer-Mathis 1995 sowie Karner 2009, S. 55–78 und 379–385 (Abbildungen).
11 Sommer-Mathis 1995, S. 512.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Titel
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Untertitel
- Hof – Oper – Architektur
- Autoren
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Herausgeber
- Matthias Müller
- Verlag
- Heidelberg University Publishing
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Abmessungen
- 19.3 x 26.0 cm
- Seiten
- 618
- Schlagwörter
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Kategorie
- Kunst und Kultur