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Susanne Rode-Breymann
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gekrönt worden war, ein Gegentrend ein. Bis zum Beginn des Spanischen Erbfolgekriegs
(1701) folgten nun vergleichsweise ruhige Jahre, in denen es kulturell neue Spielräume
gab, die auch im Musiktheater genutzt wurden.
Dass das Thema Krieg im Musiktheater thematisiert wurde, ist mithin zu erwarten,
wurde doch mit der Belagerung Wiens durch die Türken die Bedrohung durch den
Krieg zur unmittelbaren Daseinserfahrung. Es gibt dafür eine ganze Reihe von Bei-
spielen; anlässlich des Namenstages von Leopold 1686 etwa wurde das Thema von Sinn
und Verdienst des Krieges in La Grotta di Vulcano thematisiert, aber Krieg wurde nicht
auf der Bühne gezeigt. In La più generosa Spartana, der Geburtstagsoper für Leopold
1685, geht es am Beispiel des Krieges zwischen Spartanern und Pyrrhus um ethische
Haltungen der Generationen und Geschlechter zum Krieg
– also um ein sehr aktuelles
habsburgisches Thema. Handlungsraum ist ein Saal. Die Szenen 1 bis 12 thematisie-
ren den Aufbruch der Männer in den Krieg, mit dem sie der Feind überzogen hat. Die
Männer sind furchtlos, achten keine Gefahr, und selbst in einem Moment, in dem die
Kriegskassen erschöpft sind, bleiben sie aufgrund ihrer Treue und Beständigkeit sie-
gesgewiss (1. Szene). Die Frauen nehmen Abschied von den Männern, eine von ihnen
von ihrem jüngeren Bruder. Aufopferung für das Vaterland steht oben an, geschlecht-
liche Liebe wie väterliche Liebe sind nachrangig. Die Väter schenken dem Vaterland
ihre Söhne (6. Szene), aus Sicht der Frauen ist Erfolg in der Kriegskunst der Weg, ihre
Herzen zu erobern (3. Szene). Die Frauen widersetzen sich dem durchaus vernünftigen
Vorhaben der Männer, Frauen und Kinder angesichts der Gefahr zu evakuieren (9. bis
12. Szene): Archidamia, die titelgebende großmütige Spartanerin, hält, den Degen in
der Hand, schließlich eine flammende Rede vor dem Rat (12. Szene), in der sie Kamp-
fesmut und Kampfesfähigkeiten der Frauen preist und die Jugend herbeiführen lässt,
die kriegerische Übungen vorführt und dadurch den Rat überzeugt, dass auch sie nicht
»in Sicherheit« gesetzt zu werden brauchen, sondern zur Verteidigung beizutragen im
Stande sind.
Von der eigentlichen kriegerischen Handlung bleibt die Bühne frei: Die 13. Szene, in
der die beiden weiblichen Hauptfiguren solo und im Duett über Macht, Ruhm und Glück
singen, steht Platz haltend für die im Kampf vergehende Zeit. In der 14. Szene kommt
erste Kunde vom Sieg; danach treffen nach und nach die tapferen und ruhmreichen
Kämpfer ein und werden in einem großen, von Geigen begleiteten Ensemble gepriesen,
und Bellona kommentiert in der Schlussszene aus göttlicher Warte das Geschehene
mit dem Hinweis, dass der gezeigte Heldenmut von Leopold noch übertroffen werde.35
Dass Krieg aus den Libretti als Beschreibung historischer Exempel nicht wegzuden-
ken ist, aber auf der Bühne nicht gezeigt wurde, lässt Rückschlüsse auf Leopolds Herr-
schaftskonzept zu: Zwar war es unabdingbar, zur Legitimierung seiner Herrschaft auch
Bilder von Stärke zu inszenieren, Leopold also als Helden, als Reiter, als Herkules zu
35 Minato 1685.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Titel
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Untertitel
- Hof – Oper – Architektur
- Autoren
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Herausgeber
- Matthias Müller
- Verlag
- Heidelberg University Publishing
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Abmessungen
- 19.3 x 26.0 cm
- Seiten
- 618
- Schlagwörter
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Kategorie
- Kunst und Kultur