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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur
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Die theaterhafte Inszenierung höfischer Räume im Dienst der königlichen Evidenz 49 von Besuchern oder Gesandten zeigen, war die Zeit meistens knapp bemessen und reichte nicht aus, um über eine fragmentierte, unzusammenhängende und assoziative Wahrnehmung der in den architektonischen und künstlerischen Medien vermittelten Inhalte hinauszugelangen.12 Was aber war dann der Sinn der ganzen fein aufeinander abgestimmten, intellektuell ausgeklügelten ikonographischen Programme, wenn der ihnen zugeschriebene Sinn für die meisten Betrachter nur in Rudimenten nachvollziehbar war? Auf diese Frage möchte ich eine zweifache Antwort geben. Zum einen war es offensichtlich wichtig, dass die bildliche Ausstattung einem intellektuellen, humanistisch-gelehrten Anspruch genügte und entsprechenden internationalen Normen folgte, selbst wenn die Inhalte nur selten in ihrer Totalität nachvollzogen werden konnten  – als Besucher konnte man nur Ausschnitte und Fragmente eines größeren Ganzen wahrnehmen. Und zum anderen korrespondierte die unfassbare Komplexität der allegorisch-mythologischen Programme mit einer ebenso unfassbaren Komplexität der künstlerischen Formen, deren durchaus vorhandene strenge Systematik in der visuellen Erfahrung der Betrachter letztlich nur als ästhetische Überwältigung erlebt werden konnte. In dieser Hinsicht entspricht der Effekt der bildlichen Ausstattung im Übrigen ganz dem Effekt, den der Besucher beim Durchfahren bzw. Durchschreiten der gestaffelten und sich immer weiter verengenden Platzräume und Innenhöfe von Schloss Versailles erlebt. Ein wesentliches Ziel des be- triebenen Aufwandes an Inhalt und Form war daher nicht so sehr der kognitive Nach- vollzug, als vielmehr das überwältigte Staunen, das sich dem gebotenen Schauspiel hingibt, ohne nach der dahinter stehenden Regie zu fragen. Wie sehr die Vielzahl und Abfolge der Schlosshöfe neben Zeremonial- und Sicherheitsaspekten vor allem auch der Beeindruckung der Sinne von Untertanen, Gesandten und anderen Gästen dienen soll- ten, belegen neben französischen Quellen auch die Äußerungen deutscher Theoretiker des 17.  und 18.  Jahrhunderts. Neben Nicolai Goldmann, der ganz im Sinne der eingangs zitierten Bemerkung aus Diderots berühmter Encyclopédie die Anzahl der Schlosshöfe zu einem imponierenden Spiegelbild des Rangs der Schlossbewohner erklärt,13 ist hier auch aus dem Bereich der sog. Hausväter-Literatur Franz Philipp Florinus zu nennen. In dessen 1719 erschienenem Traktat Oecenomus Prudens Et Legalis Contiuatus wird die Vielzahl von Schlosshöfen explizit damit begründet, »daß dergleichen Einrichtung neben der vortrefflichen Gelegenheit  /  die vielerley Aemter und Ordnungen des Hof=Staats 12 Siehe hierzu für die Spiegelgalerie von Versailles Ziegler 2010. Eva-Bettina Krems konnte für die Münchner Residenz der Wittelsbacher aufzeigen, wie im 17.  Jahrhundert im Alten Reich versucht wurde, durch vom kurfürstlichen Hof autorisierte Beschreibungen ein klar strukturiertes, geordnetes Bild von den Räumen und ihrer Ausstattung zu vermitteln, die ansonsten aufgrund der Unübersicht- lichkeit und Fülle von den Besuchern nicht vollständig erfasst worden wären (Krems 2006). Ähnlich wie Schütte plädiert auch Krems für eine Beachtung der »vom jeweiligen Autor vermittelte[n] physi- sche[n] Bewegung durch den Baukörper« (ebd., S.  293) bei künftigen Analysen höfischer Innenräume. 13 Nikolaus Goldmanns vollständige Anweisung Zu der Civil-Bau=Kunst  […], hg. von Leonhard Christoph Sturm, Braunschweig 1699, S.  146–147. Siehe hierzu auch Schütte  /  Schwing 1997, S.  200–202.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa Hof – Oper – Architektur
Titel
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Untertitel
Hof – Oper – Architektur
Autoren
Margret Scharrer
Heiko Laß
Herausgeber
Matthias Müller
Verlag
Heidelberg University Publishing
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-SA 4.0
ISBN
978-3-947732-36-4
Abmessungen
19.3 x 26.0 cm
Seiten
618
Schlagwörter
Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
Kategorie
Kunst und Kultur
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