Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kunst und Kultur
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur
Seite - 60 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 60 - in Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur

Bild der Seite - 60 -

Bild der Seite - 60 - in Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur

Text der Seite - 60 -

Matthias Müller 60 In diesem Punkt ähnelt der Fürst oder König letztendlich einem Schauspieler, der mit seinem individuellen Körper einer anderen Person mimische Präsenz verleiht  – einer Person, die mit ihm nicht identisch, sondern vielmehr Gegenstand einer literarischen und damit fiktiven Bearbeitung bzw. Interpretation ist. Der entscheidende Unterschied zwischen dem gewissermaßen schauspielernden Fürsten und dem schauspielernden Schauspieler besteht darin, dass der Fürst durch sein Auftreten und Agieren  – bei- spielsweise im Zeremoniell  – sowie durch seine zeichenhaft-symbolischen Accessoires in Form der Kleidung oder der Insignien zwar auch eine seine Person übersteigende Fiktion  – in diesem Fall eine Herrschaftsidee  – sinnfällig vortragen muss, jedoch mit seiner Person über die Genealogie und Dynastie doch zugleich auch realer Teil der durch das zeremonielle Schauspiel evozierten Fiktion ist,32 während der Schauspieler durch seine fehlende genealogische Rückbindung und Dignität der dargestellten Rolle aus- schließlich seinen Körper leiht. Aufgabe der Künste ist es nun, so André Félibien, von dem eine Rolle spielenden und doch mit dieser Rolle zugleich identisch seienden Fürsten oder König wiederum ein adäquates Bild herzustellen, das genau dieses Paradoxon an- schaulich werden lässt. Félibien hierzu wörtlich: »Ich sage  […], daß der Himmel, der in Eurer  [des Königs, Anm. M.M.] Person einen vollendeten Monarchen sichtbar werden lässt, zugleich Handwerker schaffen wollte, die dazu imstande sind, diesen würdig dar- zustellen«.33 Anders als bei der Darstellung von Jupiter, dem Herrscher über die Götter, dessen äußere Gestalt sich dem menschlichen Fassungsvermögen entzieht und daher der freien Phantasie zugänglich ist, müsste der Künstler, so Félibien weiter, beim Porträt irdischer Herrscher jedoch von einem konkret fassbaren »Gegenstand«, dem physi- schen Körper, ausgehen, »den nachzuahmen er verpflichtet ist«. Dieser »Gegenstand«, so Félibien, »ist aber so herausragend, daß es keinen Schmuck gibt, der ihn bereichern könnte, noch Striche, die ihn angemessen ausdrücken könnten«.34 Mit diesen Worten hat Félibien schließlich nochmals pointiert auf die letztendliche Unmöglichkeit der gestellten Aufgabe  – zumindest in den bildenden Künsten  – verwie- sen und uns mit dem überlegenen Witz des mit Worten beschreibenden und eben nicht malenden Historiographen nahegelegt, in den gemalten Bildnissen von Regenten nicht so sehr die irdische Realität zu suchen, als vielmehr deren Interpretation, da bereits die physische Präsenz des Regenten und erst recht das von ihm erstellte künstlerische Bildnis in Wirklichkeit nur ein Schauspiel sind. Doch den König als tatsächlichen Schauspieler zu enttarnen gelang erst der politischen Revolution, so dass  – um bei unserem Beispiel 32 Auf diesen Umstand hat auch schon Ulrich Schütte hingewiesen: »Die Körper der handelnden Fürsten waren keine bloßen Abbilder des göttlich geordneten Kosmos oder ihrer familiären Traditionen. Es machte ihren besonderen Zeichenstatus und das Verständnis der Handelnden aus, daß sich in ihnen die Ordnung der Welt und eines fürstlichen Hauses konkretisierte« (Schütte 2006, S.  175). 33 André Félibien, Le portrait du Roy, Paris 1663, zitiert in der deutschen Übersetzung von Baader 1999, S.  358. 34 Ebd., S.  360.
zurück zum  Buch Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur"
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa Hof – Oper – Architektur
Titel
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Untertitel
Hof – Oper – Architektur
Autoren
Margret Scharrer
Heiko Laß
Herausgeber
Matthias Müller
Verlag
Heidelberg University Publishing
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-SA 4.0
ISBN
978-3-947732-36-4
Abmessungen
19.3 x 26.0 cm
Seiten
618
Schlagwörter
Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
Kategorie
Kunst und Kultur
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa