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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur
Seite - 76 -
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Roswitha Jacobsen 76 Penelope: der eine in blinder (und grundloser) Eifersucht, der andere in aussichtsloser Liebesbegier, für die er seine eigentliche, die ›richtige‹ Geliebte im Stich gelassen hat. Weder Penelope noch Orisbe akzeptieren jedoch das Verhalten ihres jeweiligen Ehe- gemahls bzw. Geliebten. Statt sich in ihr Schicksal zu ergeben, setzen sie dem Handeln ihrer Männer ihr eigenes Handeln entgegen und gewinnen sie damit nicht nur zurück, sondern belehren sie (und das Publikum) zugleich über die fatalen Folgen ungezügelter Leidenschaft. Die Spielhandlung schöpft ihre Spannung und ihre Unterhaltsamkeit, also ihre äs- thetische Attraktivität, zu einem erheblichen Teil daraus, dass beide Frauen die traditio- nellen weiblichen Rollenmodelle überschreiten und sich gegen die Zumutungen ihrer Liebhaber zur Wehr setzen. Allerdings ist ihr Aufbegehren streng begrenzt auf das Feld der Liebe. Ausschließlich hier werden sie zu selbstständigen Agentinnen ihrer eigenen (Liebes-)Interessen, die sie ebenso couragiert wie raffiniert verfolgen. Nicht nur, aber besonders am Handeln der weiblichen Hauptfiguren zeigt sich, inwiefern die fiktionale Gattung des Singspiels  /  der Oper als Medium von Subjektivierungstendenzen in der Frühen Neuzeit fungiert. Da das Paar Acrisio  /  Orisbe kein Vorbild in der Sage hat, ist der Autor dieser Ver- sion durch stoffliche Vorgaben nicht eingeschränkt. Er nutzt die Freiheit zur Erfindung höchst unwahrscheinlicher Aktionen der verlassenen Orisbe, welche sich keineswegs in geduldigem Ausharren oder gar in Verzicht übt. Im Gegenteil, als Mann verkleidet, reist sie Acrisio nach und setzt zunächst mit Hilfe von Penelope, dann allein an dunkler Grabstätte in Gang, was nötig ist, um den Abtrünnigen zurückzugewinnen. Doch auch an dem Paar Ulysses und Penelope tritt der Kontrast zum Prätext deut- lich hervor. Schon dass sich Penelope im Unterschied zur antiken Penelopeia gekränkt fühlt durch das Misstrauen ihres Gemahls und das auch noch äußern darf, deutet auf ihren ganz anderen Subjekt-Status hin. Dass sie aber vermittels ihrer Gegenhandlung ihren Gemahl geradezu vorführt als verkehrt, nämlich misstrauisch und eifersuchts- blind Liebenden, macht sie auf dem Feld der Liebe zur ganz ebenbürtig Agierenden. Da sie aber im Gegensatz zu Ulysses ihre Affekte souverän beherrscht, kann sie ihre Gegenintrige überlegen ins Werk setzen. Statt besänftigend auf den längst als Odys- seus Erkannten einzuwirken, geht sie auf seine Maskerade ein, behandelt ihn als den Bettler, der er zu sein vorgibt und spielt ihm genau das vor, was er ihr unterstellt: ihre Untreue. Sie gibt vor, endlich einen der Freier als neuen Gatten erwählt zu haben, und zwar Olmiro. Damit treibt sie Odysseus in seiner Eifersucht bis zum Exzess und lenkt selbst dann nicht ein, als er sie erst zu erdolchen (III/1) und dann zu vergiften (III/13) versucht. Während er blindwütig agiert, kontrolliert sie das Geschehen. Ihr falsches Spiel bringt die zerstörerische Wucht seiner unkontrollierten Leidenschaft erst zum Vorschein und erweist sie gerade damit als unangemessen. Zugleich wird durch Penelopes Spiel auch das Komische des rasend Eifersüchtigen zur Darstellung gebracht, was hier vor allem deshalb gelingt, weil am Schluss das Paar sich gattungstypisch versöhnt. Explizit
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa Hof – Oper – Architektur
Titel
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Untertitel
Hof – Oper – Architektur
Autoren
Margret Scharrer
Heiko Laß
Herausgeber
Matthias Müller
Verlag
Heidelberg University Publishing
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-SA 4.0
ISBN
978-3-947732-36-4
Abmessungen
19.3 x 26.0 cm
Seiten
618
Schlagwörter
Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
Kategorie
Kunst und Kultur
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