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Theater als Medium höfischer Kommunikation
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Damit wird die theatralische Grundsituation – Schauspieler spielen eine Rolle und
werden dabei von einem Publikum beobachtet – als solche ausgestellt und dem Publi-
kum eben dadurch bewusstgemacht. Über die stofflichen Vorgaben hinaus enthält das
Penelope-Singspiel in Haupt- und Nebenhandlungen eine Vielzahl von Spiel-im-Spiel-
Sequenzen, auf die unten noch einzugehen ist.
Ein weiterer Grundtyp des Metadramas, das gerahmte Spiel, »framed play«,39 liegt
praktisch in jedem Librettotext des höfischen Theaters vor, wie auch in jeder Aufführung,
die durch panegyrisches Vor- oder
/
und Nachspiel die fiktionale Ebene des vorgeführten
Stückes überschreitet, um den Herrscher zu loben, der in irgendeinen Bezug zum gespiel-
ten Stück gesetzt wird: als Inventor, Förderer des Theaters oder der Musen schlechthin;
oft auch indem dessen Tugenden mit Tugenden der Spielfiguren analogisiert werden,
meist in Gestalt einer direkten Ansprache der gewürdigten Person durch die Schauspieler.
Dadurch wird nicht nur die bühneninterne Kommunikationsebene systematisch ausge-
weitet in den Zuschauerraum hinein, sondern Letzterer wird zugleich Teil des Theaters;
die Grenze zwischen den fiktionalen Figuren auf der Bühne und den realen ›Figuren‹
im Zuschauerraum verschwindet, wenn auch jene zum Teil der Inszenierung werden.
Genau das ist im Penelope-Singspiel der Fall. Das Nachspiel ist dem Librettotext
zufolge dem ›ruhmreichen‹ Herzog Friedrich gewidmet. Die Inszenierung setzt diese
Widmung laut Paratext um, indem eine Statue in einem auf der Bühne errichteten
Tugend-Tempel das Bildnis des Fürsten präsentiert, desgleichen eine »Beyschrifft von
brennenden Buchstaben«, die den Fürsten Friedrich als sächsischen Herzog und Vater
des Vaterlandes mit rühmenden Epitheta nennt. Die allegorischen Figuren des Nach-
spiels
– Fama, Die Tugend, Die Gottesfurcht, Die Klugheit, Die Gerechtigkeit
– verglei-
chen den sächsischen Helden mit »Ulysses
[…] Penelopens berühmt Gemahl«, dem »Ein
unvergänglich Ehren-Mal gebühr[e]«, »Daß Ihr Gedächtnüß nie kann untergehn.« Dabei
spielt es keine Rolle, dass der Ulysses des Singspiels eigentlich nicht als Heldenfigur
taugt: Statt siegreicher und grausamer Töter der Freier ist dieser Ulysses ein jammer-
voller Liebeskrieger, der von Eifersucht getrieben ist, jede Menge Liebespein zu ertragen
und am Schluss sein falsches Verhalten reumütig einzugestehen hat!
»O! Welche Schaam wird nun bey mir erregt!
[…] Verflucht sey nun mein zweifelhafter Sinn /
Zu dem ich war geneigt!« (III/15)
Gerade weil die Analogisierung des Ulysses mit dem zu feiernden Fürsten nur in all-
gemeinster Weise geltend gemacht werden kann, nämlich in Bezug auf den Berühmt-
heitsstatus beider, muss der kommunikative Wert des Stückes und seiner Aufführung
in der Realisierung des theatralischen Ereignisses als solches gesehen werden.
39 Ebd.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Titel
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Untertitel
- Hof – Oper – Architektur
- Autoren
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Herausgeber
- Matthias Müller
- Verlag
- Heidelberg University Publishing
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Abmessungen
- 19.3 x 26.0 cm
- Seiten
- 618
- Schlagwörter
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Kategorie
- Kunst und Kultur