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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur
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Roswitha Jacobsen 80 Der Herzog ist nicht nur Adressat des Singspiels in allen seinen Teilen, sondern vor allem ermöglicht er das Ereignis erst. Auf der Spielebene der Rahmung wird er überdies zum Mitspieler im theatralischen Ereignis, wenngleich er nicht selbst spricht, sondern von den Spielfiguren nur angesprochen wird. An dieser Stelle wird die Grenze zwischen Bühne und Zuschauerraum, die sogenannte vierte Wand des Theaters, zum Verschwin- den gebracht, ebenso wie die Grenze zwischen den Bühnenfiguren und Personen der historischen Wirklichkeit. Der metadramatische Grundtyp des »framed play« ist also sowohl im Librettotext als in der theatralischen Aufführung in geradezu modellhafter Ausprägung gegeben. Der metadramatische Grundtyp des »Spiels im Spiel« aber kommt in exzessiver Häu- fung vor. Das Verkleidungs- und Verstellungsspiel des homerischen Odysseus wurde bereits erwähnt. Es ist auch im Singspiel-Libretto handlungsbestimmend, zugleich aber gegenüber dem antiken Prätext charakteristisch abgeändert: Ulysses erscheint in Szene  I/1 nicht nur im Bettler-Habit, sondern er legt sich in I/4 auch noch einen falschen Namen zu, Alceste, und zwar ausdrücklich, um die Treue seiner Gemahlin zu prüfen  – als einer der Bewerber um sie. Seine falsche Identität als Alceste ermöglicht später, im dritten Akt, eine weitere Verstellung auf einer dritten Ebene, wenn Alceste, d.  h. der verkleidete Ulysses, die (wenigen) Freier anstiftet den Palast einzunehmen und den (scheinbar) von Penelope erwählten Bräutigam Olmiro vom Thron zu stoßen. Er selbst, Alceste, wolle sich als Ulysses ausgeben, um so das Volk auf seine Seite zu bringen. Das heißt, seine zweite Maskierung (als Ulysses) macht seine erste Maskierung (als Alceste) rückgängig, aber nur für die Zuschauer in ihrer souveränen Beobachterposition, nicht aber, zumindest nicht sofort, für die Bühnenfiguren. Beide Verkleidungsspiele  – a) Ulysses gibt sich als Bettler Alceste aus; b) der ver- meintliche Alceste gibt sich als Ulysses aus  – dienen Ulysses als Listen gegen die Freier und zur Durchsetzung seines Planes, Palast und Gemahlin zurückzuerobern. Doch die Verstellung als Alceste dient ihm darüber hinaus auch als List gegen seine Gemahlin. Weil er ihr nicht traut, beobachtet er sie zusammen mit seinem Diener Lippone aus dem Verborgenen heraus.40 In seinem Misstrauen ihr gegenüber ist er unfähig, anderes als seine eigenen Befürchtungen wahrzunehmen. So liest er die Zeichen falsch und wird  – schon in Szene (I/2), also ganz am Anfang des Stückes  – von Eifersucht übermannt, in welche er sich, endlich von Penelope noch absichtlich dazu angefeuert, immer mehr hi- neinsteigert. Nicht vorrangig die von den Freiern ausgehende Gefahr motiviert also hier die Verstellung des Ulysses, sondern sein mangelndes Vertrauen in die eigene Gemahlin. Damit sowie mit den daraus erwachsenden Folgen beschäftigt sich die Spielhandlung ganz überwiegend. Das ist eine ganz andere Ausgangslage als im Epos. Geht es dort um die überlegene Planung der Voraussetzungen für einen Sieg in aussichtsloser Lage  – ein Held gegen 100 Freier –, so hier um die Ausstellung einer persönlichen Schwäche des 40 Zahlreiche Regieanweisungen im 1. Akt lauten: »auf der Seiten« (Szenen 2, 4, 12. 13).
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa Hof – Oper – Architektur
Titel
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Untertitel
Hof – Oper – Architektur
Autoren
Margret Scharrer
Heiko Laß
Herausgeber
Matthias Müller
Verlag
Heidelberg University Publishing
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-SA 4.0
ISBN
978-3-947732-36-4
Abmessungen
19.3 x 26.0 cm
Seiten
618
Schlagwörter
Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
Kategorie
Kunst und Kultur
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