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Heiko Laß
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höfischen und städtischen Theatern, führt diese Unterscheidung aber nicht fort. Er
geht von einem größeren Publikum aus, und schlägt daher eine freie Lage vor, damit
Gäste mit ihren Kutschen ohne Gedränge an- und abfahren können. Auch Penther
schaltet dem Zuschauerraum selbstverständlich einen Saal vor.7 Wenn man will, kann
man bei Betrachtung der drei Autoren in chronologischer Reihenfolge eine Eman-
zipation der Bauaufgabe konstatieren, was aber nichts Ungewöhnliches ist und auf
andere höfische Bauaufgaben ebenso zutrifft wie etwa Reithäuser, Bibliotheken oder
Gemäldegalerien.
Nicht nur über die Gestaltung der Räume und ihre funktonale Abfolge machten sich
die Zeitgenossen Gedanken, sondern auch über die so wichtige Akustik, obwohl über
Raumakustik bis in das 19. Jahrhundert hinein nicht viel bekannt war.8 Es waren eher
Erfahrungswerte, die dazu führten, dass Architekten Opernhäuser und Theater mit
dünnen Holzplatten auskleideten, was die volltönenden mittleren bis tiefen Frequenzen
absorbiert, weshalb der Gesang nicht so überdeckt wird. Konzertsäle wurden dahin-
gegen gern mit einer schallreflektierenden Gipsschicht verputzt, da hier ein vollerer
Klang für das Orchester gewünscht war. Man bevorzugte aufgrund akustischer Un-
kenntnis eine Ellipsenform für Theater wegen ihrer vermeintlich guten Akustik. Man
dachte, konkave Flächen seinen gut für den Klang und konvexe nicht
– tatsächlich ist es
umgekehrt.9 Aber ein festlich gekleidetes Publikum und die Stoffdekorationen führten
bei den relativ kleinen Räum zu einer kurzen Nachhallzeit. Und die Akustik war den
Zeitgenossen durchaus wichtig und wurde auch von den Komponisten und Musikern
berücksichtigt.10
Die Lage der höfischen Opernhäuser
Räume für das höfische Musiktheater konnten sich – wie erwähnt – prinzipiell an al-
len Orten befinden, die vom Hof aufgesucht wurden. Es bedurfte keiner besonderen
Architektur – jeder Ort konnte für eine Aufführung umgenutzt werden. Der franzö-
sische Hof verfügte lange Zeit über kein beständiges Theatergebäude, sondern bevor-
zugte die vorübergehende Nutzung von Räumen mit zeitlich begrenzten Umbauten
wie etwa Ballhäusern. Im Versailler Schloss gab es sogar bis 1770 kein beständiges
Opernhaus, sondern nur Provisorien. Das dann errichtete Opernhaus nahm auch Rück-
sicht auf den kulturellen Hintergrund der neuen Königin – Marie Antoinette stammte
7 Vgl. Furttebach 1640, S.
43–70; Sturm 1714, S.
15–17; Sturm 1718, Tab XXII; Penther 1748, S.
20–22.
8 Pérouse de Montclos
/ Polidori 1991, S.
115; Forsyth 1992, S.
9, 13, 94–95; Heutschi 2008. Vgl. auch
den Beitrag von Baumann in diesem Band, S. 267.
9 Forsyth 1992, S. 80.
10 Ebd., S. 8, 22; Strauss 2008, S. 32.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Titel
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Untertitel
- Hof – Oper – Architektur
- Autoren
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Herausgeber
- Matthias Müller
- Verlag
- Heidelberg University Publishing
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Abmessungen
- 19.3 x 26.0 cm
- Seiten
- 618
- Schlagwörter
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Kategorie
- Kunst und Kultur