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Hans Lange
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15. Jahrhundert sowohl das wandbezogene textile Dorsal hinter und einen über dem
Sessel aufgespannten Himmel umfasst, wie sie damals am tonangebenden burgundi-
schen Hof und dann weit über 1789 hinaus als höchstrangiges Zeremonialmöbel euro-
paweit gebraucht wurden.2 Unterhalb dieser seit dem Mittelalter verrechtlichten Kate-
gorie der Insignie Thron, die fast immer auf die Orte Kirche und Residenz beschränkt
blieb, erwarb der repräsentative Ehrensitz im Theater eine zeichenhafte Qualität, die, so
die These, im 17.
Jahrhundert nicht unabhängig von der Praxis erhöhter und separierter
kirchlicher Ehrenplätze für Laien durchgesetzt wurde.3 An die Tradition nicht einseh-
barer Privatoratorien erinnert die Inkognitologe, die älteste Form einer Theaterloge, die
einem privilegierten Personenkreis erlaubte, zwischen einem privaten Rückzugsort in
sozial standeswidrigen Aufführungen4 oder öffentlicher Selbstdarstellung bei zeremo-
niellen Auftritten zu wählen.
Rückzug der »Nuovi principi« aus dem Parterre
in Florenz (1600) und Parma (1628)
Ein früher, historisch bemerkenswerter Präzedenzfall betrifft die Umrüstung des terraz-
zino, einer Musikertribüne über dem Eingang gegenüber der Bühne, zu einer Ehrenloge
der Serenissimi principi in Bernardo Buontalentis Teatro Mediceo von 1586 in den Flo-
rentiner Uffizien anlässlich der Procura-Hochzeit der Maria von Medici mit Heinrich
IV.
von Navarra,5 (1600). Bei früheren dynastischen Festaufführungen saßen die fürstlichen
Adressaten auf einem ephemer errichteten palco oder tribunale relativ nahe vor der
Bühne in der Mitte des Parterres.6 Dem Festbericht des jüngeren Buonarroti zufolge
korrespondierte der in einem halben Oval vorkragende Balkon oberhalb der Stufen-
gerüste, gradines, für die Zuschauer an den Langseiten, die während der Aufführung
von Caccinis Oper Rapimento di Cefalo auf der Bühne gespiegelt wurden, dort mit dem
zentralen Sitz der Fama, die später dem Allianzwappen der Häuser Bourbon und Medici
Platz machte. Die mythologische Götterwelt auf der Szene und die Braut mit ihren neu-
fürstlichen Eltern auf dem terrazzino verwiesen und interpretierten einander wechsel-
2 Zum profanen Thronbaldachin und seiner Herkunft aus dem burgundischen Hofzeremoniell: Schandel
1990.
3 Lickes 1982. Über ältere Typen privilegiert separierter Anräume hinaus sind bildautonome Lösungen
in Graphik und Malerei der Renaissance für das erweiterte Formenrepertoire von Herrschaftslogen
prägend geworden, dazu: Simon 1965.
4 Gabero Zorzi 2001, S. 34; Povoledo 1964.
5 Buonarroti 1600, S.
24: »ove sopra lʼentrata il balcone de più degni spettatori si vede sportare in fuora
tondeggia in guisa di mezzo ovato.«; Solerti 1904, Bd. 3, S. 11–28; Mamone 1981, S. 59–81; Strong
1991, S. 249–251; Ossi 1998; Lange 2003, S. 53; Walter 2016, S. 3–6.
6 Garbero Zorzi 2001, S. 36; Mamone 1981, S. 113, S. 119; Frabetti 2009; Buttigli 1629, S. 149–150.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Titel
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Untertitel
- Hof – Oper – Architektur
- Autoren
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Herausgeber
- Matthias Müller
- Verlag
- Heidelberg University Publishing
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Abmessungen
- 19.3 x 26.0 cm
- Seiten
- 618
- Schlagwörter
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Kategorie
- Kunst und Kultur