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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur
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Pathos der Distanz – die Etablierung der zentralen Hofloge im Theaterbau (1600–1750) 119 seitig wie ein Spiegelbild. In folgenden Jahren wurde der terrazzino zuweilen ausdrück- lich als palco segreto, also Inkognitologe, erwähnt.7 Diese Unentschiedenheit, die einmal auf inszenierte Ostentation abhebt, das andere Mal distanzierende Separierung betont, ist im einzig erhaltenen Bildzeugnis des Teatro Mediceo, Callots Stich (Abb.  1) zum ers- ten Intermedio anlässlich der Hochzeit Catarina de’ Medicis mit Ferdinando Gonzaga, 1617, noch spürbar: »the very principle around which the late Renaissance court theatre of scenic illusion was organised  – the ideal viewpoint from the royal box«.8 Im Zentrum des Blattes, das durch eine hochgelegene Öffnung in der rückwärtigen Wand den Blick aus einer imaginären Hofloge in den Saal leitet, erscheint das großherzogliche Paar auf der obersten Stufe der Bühnentreppe. Seine aktive Präsenz im Saal erlaubt Callot den Kunstgriff, den Betrachter des Blicks aus der Herrschaftsloge, quasi in Stellvertretung des Publikums, teilhaftig werden zu lassen. Stoffdrapierung und das nach innen gewen- dete Allianzwappen nähern aber die Öffnung soweit einem bildautonomen Rahmen- motiv an, dass die Logenallusion nur vage bleibt, zumal die portalartige Weite und die Rückenfiguren der bewaffneten Wachen nicht mit der räumlichen Beschränktheit des realen terrazzino korrespondieren. Callot liefert keine Reportage, sondern eine kom- mentierende Versinnbildlichung des Ereignisses, das der Leser der Festbeschreibung aus dem idealen Blickwinkel des Fürsten nachvollziehen kann: in der wie ein Prosze- niumsrahmen gestalteten Logenöffnung erscheint der Medicihof bildhaft erstarrt und doch das höfische ballet de cour gleichzeitig in einer geometrischen Bewegung konfigu- riert und allegorisiert. »The seating became rigidly fixed according to ranks and rows, while the scene became the prime locus of change and impermanence.«9 Im fast zeitgleich zum Uffizientheater errichteten Teatro Olimpico für Vespasiano Gonzaga in Sabbioneta10 vollzog sich mit der Ausrichtung von Vincenzo Scamozzis per- spektivisch verkürzter scena auf einen Augenpunkt im Scheitel der erhöhten Säulen- kolonnade über den gradines zuerst eine folgenreiche Verfestigung des polaren Gegen- übers eines privilegierten, durch ephemere oder aber architektonische Würdeformen ausgezeichneten Ehrensitzes und dem Fluchtpunkt eines illusionistischen Bühnenbil- des.11 »The entire stage decor was visually anchored in the eyes of the duke  […] the 7 Rothrock  /  Gulick 1979, S.  24; Vgl. Garbero Zorzi 2001, S.  34–35; Testaverde 2016, S. 59–61. 8 Rothrock  /  Gulick 1979, S.  26, dazu S.  24–25, 29–30; Ossi 1998, der Rothrocks Interpretation ignoriert, vermutet unnötigerweise in Callots Rahmenmotiv den angeblich 1616 höher gelegten Eingang ins Au- ditorium, der 1589 noch unbestritten unter dem balconcino lag, ebd., S.  18. 9 Forster 1977, S.  71. 10 Forster 1977; Grötz 1993, S.  69–70; Heinrich 1999, S.  93–106, bes. S.  96–98, 104; Hass 2005, S.  268– 279, bes. S.  272–274. 11 Zuletzt Mazzoni 2009. Neuere Untersuchungen suggerieren ein cubiculum für Vespasiano auf der Em- pore (mdl. Hinweis Jan Pieper in der Diskussion in Gotha), der bislang früheste Hinweis auf »geschlos- senes« Sitzen von Amts wegen in einem Saaltheater. Die zentrale Position des Ehrensitzes Vespasianos in der Saalachse auf der Empore von Forster 1977, S.  74, und anderen Autoren bestritten: Heinrich 1999, S.  97 Anm. 146.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa Hof – Oper – Architektur
Titel
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Untertitel
Hof – Oper – Architektur
Autoren
Margret Scharrer
Heiko Laß
Herausgeber
Matthias Müller
Verlag
Heidelberg University Publishing
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-SA 4.0
ISBN
978-3-947732-36-4
Abmessungen
19.3 x 26.0 cm
Seiten
618
Schlagwörter
Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
Kategorie
Kunst und Kultur
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