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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur
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Pathos der Distanz – die Etablierung der zentralen Hofloge im Theaterbau (1600–1750) 125 Wenige Jahre zuvor war in Dresden erstmals eine große Mittelloge wie ein kirchlicher Herrschaftsstuhl über das Parterre eines Hoftheaters erhoben worden. Während sich im barocken Rom zwischen eucharistischen Schauspielen und Berninis Cattedra die Inszenierung katholischer Dogmen in ephemeren Theatra sacra vor Christinas Augen verdichtete,31 befleißigten sich ihre protestantischen Verwandten im Norden schon seit dem 16.  Jahrhundert einer architektonischen Distinktionsform, die ihnen ihr summepi- skopaler Status im landesherrlichen Kirchenregiment erlaubte: den rechtsförmig instal- lierten Fürstenstand, häufig auf einer Empore in der Raumachse dem Altar gegenüber, der vor der im ständisch differenzierten Gestühl sitzenden Gemeinde die Herrschaft von Gottes Gnaden auch dann repräsentierte, wenn der Fürst nicht persönlich dem Gottesdienst beiwohnte.32 Die deutsche Praxis, die katholischen Fürsten als Laien we- gen der Vorrechte des Klerus fast immer versagt blieb,33 war durch die Brüder Pahr noch im 16.  Jahrhundert nach Uppsala und Stockholm gelangt. Allerdings hat sich von der ersten Generation schwedischer kungastolar, etwa in Willem Boys Kirche des alten Stockholmer Tre Kronor-Schlosses, nichts erhalten.34 Besser als an den für Christina umgewidmeten fünf Normallogen des längst unterge- gangenen Teatro Tordinona lässt sich das semiotische Potential ephemerer Erscheinungs- apparate an Christinas Karnevalsloge am Palazzo Pamphili auf dem Corso zeigen, die sie schon seit 1666 regelmäßig frequentierte (Abb.  3). Der Stich von Falda zeigt vor der Palastecke einen zweistöckigen Aufbau, der bis 1684 jedes Jahr für sie in dieser Form ins- talliert wurde35 und in dem sie in einer Inkognitologe mit aufklappbarer Verglasung zwi- schen Kardinälen Platz nahm. Direkt über ihr befand sich eine prächtige leere Thronloge mit einem dais und seitlichen Velen, von einer mächtigen Bügelkrone beschirmt, und signalisierte in den Stadtraum: »Qua sta la Regina e patrona di Roma«.36 Diesem inoffi- ziellen, höchst ambitiösen, aber protokollwidrigen Titel entsprach der zeichenhafte Auf- wand. Zum ersten Mal sind wichtige Motive der späteren Epiphanielogen kombiniert, die wieder in den Fürstenstühlen evangelischer Hof- und Residenzkirchen, aber auch in den ersten Theatersälen des Nordens früher rezipiert wurden als in Italien, wo sie im künstlerischen Milieu Berninis und Fontanas für sakrale Zwecke entstanden waren.37 31 Noehles 1969, S.  186–190 u. Biermann 2012, bes. S.  195–199 zum Transfer des weltlichen Formtypus Kronbaldachin über Christinas römischen Logen in die sakrale Sphäre, etwa Fontanas Altarziborium in Sa. Maria Traspontina, 1674. 32 Dazu ausführlicher Lange 2020, im Druck; Lange 2006; zur Vorbildlichkeit ständischer Sitzordnung in protestantischen Kirchen für Hierarchisierung im höfischen Theater: Dressler 1993, S.  99–101. 33 Üblich waren Oratorien in chorflankierender Position, keine Logen bzw. Emporen dem Altar gegenüber. 34 Hahr 1908, S.  56–131; Sundquist 1966. Der älteste erhaltene Königsstuhl von Nicodemus Tessin d.  Ä. in der Deutschen Kirche Stockholm, 1672, datiert erst nach Christinas Abreise. 35 Tozzzi 2002, S.  158–161; vgl. Tamburini 1997, Nr.  42, S.  107–110. 36 Zit. nach Tommaso Raggi in Clementi 1939, S.  549; Biermann 2012, S.  185–188. 37 Magnusson 1999.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa Hof – Oper – Architektur
Titel
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Untertitel
Hof – Oper – Architektur
Autoren
Margret Scharrer
Heiko Laß
Herausgeber
Matthias Müller
Verlag
Heidelberg University Publishing
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-SA 4.0
ISBN
978-3-947732-36-4
Abmessungen
19.3 x 26.0 cm
Seiten
618
Schlagwörter
Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
Kategorie
Kunst und Kultur
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