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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur
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Pathos der Distanz – die Etablierung der zentralen Hofloge im Theaterbau (1600–1750) 133 und dem Kaiser die Prärogativen wahrte, zugleich Autor und Adressat der Turnieroper zu sein.58 Das offene Sitzen im Parterre verlangte, wie 1668 im Opernhaus auf der Cor- tina, eine demonstrative militärische Bedeckung durch Leibgardisten oder Soldaten.59 Beiderseits der Alpen erkannte man an kleineren Höfen bald das raumbeherr- schende Potential der dem Parterre entrückten römische Mittelloge Christinas. Orazio Talami baute 1674, kaum aus Rom zurück, auf Geheiß des Herzogs von Modena den dauerhaften Palco deʼ Serenissimi Padroni über zwei Ränge in sechs Normallogen der Rückwand der von Vigarani installierten Sala delle commedie im alten Kommunalpalast in Reggio ein. Zu Füßen des weit vorkragenden palco saß der städtische Magistrat auf dem »Banco deʼ Signori Antiani« unter dem estensischem Wappen.60 Hier wurde  – an- ders als bei Christina in Rom  – das Herrschaftsrecht der Este über die zweitgrößte Stadt ihres Herzogtums im Bild eines leeren Throns alludiert, denn der Souverän beehrte Reggio meist nur einmal im Jahr zur Messezeit mit seinem Besuch. Ebenfalls nach- träglich besorgten Gaspare und Domenico Mauro 1685 den Einbau der ungewöhnlich aufwendigen zweigeschossigen Loge vor die vier offenen Ränge des Opernhauses von Francesco Santurini am Salvatorplatz in München für Kurfürst Max Emanuel, der das Haus für Stadtbürger öffnete (Abb.  7).61 Der über dem Eingang konvex auskragende dreiteilige Aufbau war durch textile Draperien vor den ausbauchenden Brüstungen und insgesamt 14 lebhaft bewegte Atlanten und Karyatiden ausgezeichnet, die auch den baldachinartigen Kurhut scheinbar in der Schwebe hielten und die Insassen quasi auf einer zweiten Bühne, auf einem contropalco aussetzten,62 implizit eine katholische Aneignung der Dresdner Loge in dieser Position. Ein direkter Reflex und gleichzei- tig eine Steigerung dieser epiphaniehaften Elemente, kombiniert mit Christinas rö- mischem Logenpavillon, wurde 1690 im farnesischen Parma mit dem von einem kup- pelförmigen Baldachin bekrönten Tempietto im Scheitel des Logenrangs der Arena des Teatro della Peschiera im herzoglichen Garten für die Hochzeitsoper Gloria’amore realisiert (Abb.  8).63 Die Farnese haben bis zum Erlöschen der Dynastie in die großen Festspektakel für die politisch überlebenswichtigen Konnubien mehr und erfolgreicher 58 Kol. Federzeichnung Slg. Nicolai, Bd.  12, fol 110r.  /  Württ. Landesbibl. Stuttgart; Seifert 1988, S.  395–397; Sommer-Mathis 2006, S.  364–365. 59 Seifert 1988, S.  400–405; Sommer-Mathis 2006, S.  368–370; Sommer-Mathis 2010, S.  89–92; Sommer- Mathis 2014. 60 Garbero Zorzi 1980, S.  81–82. u. Anm. 33: Alfonso  II. veranlasste, »che la Città provvedesse nel Teatro di palco stabile e permanente per suo serviggio e comodo di sua corte, perché non voleva che ogni qual- volta si fossse disposto di intravenire a commedia«. Rotondi 2009, S.  187–189; Lenzi 2009, S.  175–176. 61 Schrader 1988, S.  117–122. Bereits 1690 folgt die mehrstöckige Mittelloge in Lauterbachs herzoglichem Opernhaus am Hagenmarkt in Braunschweig, ebd., S.  132. 62 Schrader 1988, S.  120–122. 63 Cirillo  /  Godi 1989, S.  97–101; Berckenhagen  /  Wagner 1978, S. 92–94. Ein ähnlicher Apparat wurde 1714 für die herzogliche Loge zur Naumachie anlässlich der Hochzeit Elisabeth Farneses mit Philipp von Spanien inszeniert und in einem Gemälde von Ilario Spolverini (Parma Palazzo Comunale) doku- mentiert.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa Hof – Oper – Architektur
Titel
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Untertitel
Hof – Oper – Architektur
Autoren
Margret Scharrer
Heiko Laß
Herausgeber
Matthias Müller
Verlag
Heidelberg University Publishing
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-SA 4.0
ISBN
978-3-947732-36-4
Abmessungen
19.3 x 26.0 cm
Seiten
618
Schlagwörter
Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
Kategorie
Kunst und Kultur
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