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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur
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Hans Lange 144 des palco vom Publikum zeremoniell Reverenz erwiesen wurde, dann fällt es nicht schwer, die in der brillant ausgeleuchteten Loge quasi thronende Herrscherfamilie mit der Inszenierung des ausgesetzten Sanctissimum zu parallelisieren. Der Turiner Typus wurde 1750 in Leopoldo Rettis Entwurf für ein neues Opernhaus am Stuttgarter Schloss rezipiert und 1758 in das Projekt von Philippe de la Guêpière92 zum Umbau des älteren Lusthauses in ein Theater übernommen: »La Loge Ducale qui fait milieu, est un Sallon orné des glaces«.93 Ein reicher ikonographischer Apparat huldigte mit Apoll, Herkules, Minerva und den Grazien der Renommée, der Magnificence und der Immortalité Herzog Karl Eugens. Guêpière machte eine solche Loge du Prince durch den Idealentwurf eines intimen querovalen Schlosstheaters in Frankreich bekannt, das Gabriel Pierre Martin Dumont als Reformprojekt in seinem Parallèle publizierte,94 aus dem sie sehr bald in Vorentwürfen der Menus Plaisirs für die Opéra in Versailles zitiert wurde.95 Schließlich brachte Bartolomeo Verona 1787 das Motiv, wenige Jahre nach Piermarinis Mailänder Scala, nach Berlin, und Carl Gotthard Langhans, der das Turiner Opernhaus 1769 selbst in Augenschein genommen hatte, installierte eine überkuppelte, von acht korinthischen Säulen begrenzte und mit einer Draperie in Form eines hermelinverbrämten Purpur- mantels versehene ovale Königsloge in Knobelsdorffs modernisiertes Zuschauerhaus, als dieses erst 1788 dem allgemeinen Publikum zugänglich gemacht wurde.96 In solchen Häusern wuchs seit dem San Carlo der Druck, Fürst und Hof strikt vom nichtadeligen Publikum zu separieren. Die räumlichen, sozialen und szenischen Bedingungen, unter denen der Souverän, noch immer von höchsten Hofchargen umgeben, einer Gesell- schaft von Untertanen erschien, basierten auf Distanzierung und ostentativer Präsen- tation. In dieser Ambivalenz kündigte sich die Erstarrung der in der Loge Thronenden zur imago an, erkauft durch den Verzicht auf raumgreifende Aktion und Beweglichkeit. Langfristig wurde der dafür politisch zu zahlende Preis hoch. Keinesfalls hat aber in die- sem Bild das Theater der absolutistischen Höfe seine gleichsam logische Erfüllung ge- funden. Die Monarchen der großen Mächte in Wien, Berlin Versailles flohen noch lange die zentrale Loge wie der Teufel das Weihwasser: Ludwig  XIV., Friedrich der Große und die Habsburger blieben im Parterre. Maria Theresia zog sich seit 1744 in die Mittelloge zurück, die Prinzen bevorzugt ins Proszenium, erst recht so im konstitutionellen Eng- land der Hannoveraner, in dem die axiale Hofloge nie heimisch wurde. 92 Wawra 1994, S.  12–13, 25–29; Klaiber 1959, S.  118–120. 93 Uriot 1763, S.  33–34. Der Herzog aber bewegte sich auch hier meist frei zwischen Parterre, Bühne und Orchestergraben. 94 Dumont 1764. Ebenso publiziert zusammen mit dem Entwurf für Stuttgart in der Encyclopédie, Plan- ches, Bd.  10, 1772. 95 Tadgell 1978, S.  120–123 u. Abb.  62. 96 Lange 1985, S.  111–114. Die preußische Hofloge, in verschiedenen Entwürfen Schinkels und Ottmers für andere Hoftheater rezipiert, bezeugte in Berlin bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg die Wir- kung des Turiner Vorbildes.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa Hof – Oper – Architektur
Titel
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Untertitel
Hof – Oper – Architektur
Autoren
Margret Scharrer
Heiko Laß
Herausgeber
Matthias Müller
Verlag
Heidelberg University Publishing
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-SA 4.0
ISBN
978-3-947732-36-4
Abmessungen
19.3 x 26.0 cm
Seiten
618
Schlagwörter
Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
Kategorie
Kunst und Kultur
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