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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur
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Pathos der Distanz – die Etablierung der zentralen Hofloge im Theaterbau (1600–1750) 145 Die Entscheidung der Kaiserin bald nach Regierungsantritt, 1740,  – und damit ana- log zum Entschluss ihres großen preußischen Gegners wenige Monate später –, ein öffentliches Theater für Oper und Komödien »zur Divertierung des Publici und Ihro Majestät eigenen allerhöchsten Unterhaltung« in einem älteren Ballhaus »nächst der Burg« errichten zu lassen, reagierte offensichtlich auf die maßstabsetzenden öffentli- chen Opernhäuser der Höfe in Neapel und Turin sowie auf das Bauprojekt ihres politi- schen Antagonisten in Berlin. Diese drei wurden von Monarchen befohlen, deren Kö- nigreiche sich unter den alten Kronen Europas erst legitimieren mussten, während es in Wien galt, die aus der pragmatischen Sanktion begründete Erbfolge Maria Theresias vor Hof und Stadt zu demonstrieren. In dem 1748 umgebauten Burgtheater vollzog sich die »Absönderung« des Hofes aus dem Parterre.97 Das Privileg sich im ehemals höfi- schen Parterre, später ungezwungener noch zwischen den Logen bewegen zu können, wurde im teatro pubblico zu einer dekorumswidrigen Usance, das »nach Belieben Zu- und Abgehen« galt als unschicklich. Maria Theresia wies 1765 ihre Kinder an, nicht im Burgtheater in andere Logen oder ins Parkett zu gehen, »denn nicht sie  [Kinder] denen Leuthen, sondern die Leute Ihnen aufwarten«.98 Friedrich  II. von Preußen behielt in Knobelsdorffs Berliner Opernhaus, 1740–1742, zeitlebens seinen Platz im Parterre vor den hinter ihm stehenden Inhabern der Hof- ämter und überließ die nicht sehr große, formal kaum ausgezeichnete Mittelloge sei- ner selten nach Berlin gebetenen Gemahlin und ihrem Gefolge.99 Den Grund dieser Vermeidungsstrategien, die der im Hoftheater angelegten Zentralität des Monarchen zu entrinnen suchten, liegt J. J. Berns zufolge im strukturellen Dilemma der zentral- perspektivischen Bühne, die den Fürsten an einem Platz außerhalb festbannte und zum Zuschauer degradierte. Er sah stellvertretend für alle, alle anderen sahen hauptsächlich ihn in dieser Rolle, und der Platz, der diese Rolle festschrieb, war die Hofloge. Sie ließ ihn zum passiven Zeugen erstarren, nahm ihm die Möglichkeit körperlicher Aktion und Intervention, isolierte ihn vom ereignishaften Geschehen und auch von seinem Hof. Die »mathematisch-perspektivische Geschichtsmodellierung«, die im barocken Maschinentheater die frühere allegorische ablöst, hat  – so Berns  – »die Kraft eines Sprengsatzes« und mag erklären, »wieso gerade die Illusionsbühne es sein konnte und sein mußte, von der herab  […] dem Absolutismus wenn nicht der Kampf angesagt, so doch der Untergang vorausgesagt wurde«.100 Ausgerechnet am immer noch tonangebenden französischen Hof, der sich neben dem preußischen am längsten der zentralen Repräsentationsloge im Fond verweigert 97 Sommer-Mathis 1995, S.  519–520; Dressler 1993, S.  74–75; Schindler 1976, S.  22–23, 27–31, 35. 98 Stollberg-Rillinger 2017, S.  386, zit. n. d. Tagebuch des Oberceremonienmeisters Khevenhüller- Metsch. Das Vorrecht des Souveräns sich während der Aufführung zu bewegen, nimmt ihr Sohn wieder in Anspruch: »Der Kaiser  […] verändert oft seinen Sitz in der Oper«, Burney 1980, S.  279. 99 Kadatz 1983, S.  124–135, 273–276; Dressler 1993, S.  73. 100 Berns 1984, S.  310.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa Hof – Oper – Architektur
Titel
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Untertitel
Hof – Oper – Architektur
Autoren
Margret Scharrer
Heiko Laß
Herausgeber
Matthias Müller
Verlag
Heidelberg University Publishing
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-SA 4.0
ISBN
978-3-947732-36-4
Abmessungen
19.3 x 26.0 cm
Seiten
618
Schlagwörter
Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
Kategorie
Kunst und Kultur
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