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Reinmar Emans
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Hannoveraner Verwandtschaft das Erstarken der Braunschweig-Wolfenbüttelschen Li-
nie (das Neue Haus Braunschweig) demonstrieren sollte. Hierzu passt bestens, dass
das neue Theater mit Antonio Gianettinis Medea eröffnet wurde, dessen Hermione ja
zwei Jahre zuvor bereits in Wolfenbüttel erklungen war. 1685 und 1686 nämlich hatte
der Hannoveraner Verwandte, Herzog Ernst August, in Venedig eben jenen Gianettini
zum dortigen fürstlichen Kapellmeister verpflichtet – und unmittelbar darauf wurde
dieser möglicherweise von Wolfenbüttel abgeworben. Ob er freilich unter Anton Ul-
rich dort auch eine feste Anstellung erhielt, wie dies Chrysander offenbar vermutete,17
bleibt fraglich, da keine direkten Spuren seiner Anwesenheit in Wolfenbüttel zu finden
sind. Immerhin könnten die erstaunlich zahlreichen Kompositionen von ihm, die in
der Murhardschen Bibliothek in Kassel bzw. in der Sammlung Österreich
/ Bokemeyer
nachgewiesen sind,18 auf seine Anwesenheit in Wolfenbüttel deuten. Ein weiteres Indiz
ist eine erhalten gebliebene Beschreibung der Theatereröffnung, der auch die einzigen
Informationen zum neugebauten Theater zu verdanken sind. Weil im »Commoedien-
hause« von Hannover keine Opern gegeben werden können,
»so wird ein absonderliches Operenhauß an’s Schloß erbawet, worzu ein burgerlich Hauß
pro 4500 Thlr bereits erkauffet worden ist, und seynd ebendeßwegen und umb Opera zu
sehen, die Herren Hertzogen zu Wolffenbüttel beysammen gewesen, alß woselbst bereits
ein Operenhauß, so in 76 Schuh [ca. 22 m] in die Breite und in die Länge 172 Schuh [ca.
49 m] hat, und allemahl 5500 Liechter erfordert und 2500 Personen in seine Logen ein-
nehmen kan, in seiner Vollkommenheit stehet. Die darinn newlichst gehaltene Opera
wird sehr wegen wundersamen Machinen geruhmet, und ist unter andern, wie mir der
Inventor deren, so eben [uff be]fehl von Wolffenbüttel dahin kam, er[zählet], ein Chaos,
dann die Elementa, Wolken, … und eine Person daherauß kommend, … ein Plitz wieder
zurückgezogen (?), … ere verschwindende Personen, praesentiret … welche Opera über
5000 Rthlr ge[kostet ha]ben soll.
[…]
Der sage nach seynd Ihro Hochfürstl. Durchl. von des Herrn Hertzogen Anthon Ulrich
Durchl. nacher Wolffenbüttel invitiret worden, umb Dero die schon gemeldte Opera alß
eine rare sache noch einmal exhibiren zu laßen; ob nun S. Hochfürstl. Durchl. dahin wer-
den mitgegangen seyn, wird die Erfahrunge geben.«19
Dass bei dieser Medea zudem als Sänger ehemalige Bedienstete des Hannoveraner Hofes
eingesetzt wurden,20 mag ebenfalls dahin gedeutet werden, dass Wolfenbüttel Hannover
den Rang abgelaufen hatte oder zumindest ablaufen wollte. Über die im obigen Dokument
17 Chrysander 1863, S. 200.
18 Siehe hierzu Küster 2015.
19 Bodemann 1883, S. 291–292; die Auslassungen und Ergänzungen so bereits dort.
20 Siehe dazu Emans 2016a, S. 24.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Titel
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Untertitel
- Hof – Oper – Architektur
- Autoren
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Herausgeber
- Matthias Müller
- Verlag
- Heidelberg University Publishing
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Abmessungen
- 19.3 x 26.0 cm
- Seiten
- 618
- Schlagwörter
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Kategorie
- Kunst und Kultur