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Braunschweig – Wolfenbüttel – Salzdahlum
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angesprochenen »wundersamen Machinen« können wir freilich nur spekulieren. Je-
denfalls ermöglichten sie offenkundig ein mehrdimensionales Bühnenspiel. So finden
sich im zweisprachigen Libretto zur Medea, abgesehen von den im Bericht Eduard Bode-
manns angesprochenen Maschineneffekten, noch folgende Szenenanweisungen: »Nach
einer prächtigen Music kommet Jupiter auf einem Adler geflogen« (Prolog), »Die vier
Elemente so auf der Kugel gesessen fliehen von einander / und Jupiter in die Höhe«
(Prolog), »Bey dem Krachen eines Donnerschlages zertrennet sich eine Wolke / und er-
scheinet die Medea auff einen Wagen von zweyen höllischen Drachen gezogen« (II/20),
»Das Grab mit dem Cörper versinket in die Erde / und Medo steiget mit der Medea in
das Schiff / und fahren davon« (II/21).
Giovanni Antonio Borettis Oper Ercole in Tebe wurde im August 1688 ins Programm
genommen und stand hinsichtlich des Maschinenaufwandes nicht zurück: »Hercules
kommet auff einen prächtigen Wagen / so von zween Löwen gezogen wird« (I/1), »Es
kommet ein Donner mit einem Erdbeben / und gibt sich ein stück Berges ab. […] Her-
cules hält den Berg biß Sipho vorbey / und läst ihn alsdann fallen / da man dann in der
Tieffen die Hölle siehet« (I/21). Nur in der deutschen Zusammenfassung der Oper fin-
det sich eine Beschreibung des »Ballo«, der den 1. Akt beschließt: »Auß der Hölle kom-
met eine Schild=Kröte darauß Zwerge werden
/
welche tantzen
/
hinten kommen Reuter
so mit der Schilt=Kröte streiten und sie endlich verjagen
/
werden aber selbsten von Rie-
sen so dazukommen mit sampt den Pferden weggetragen.« In der 9. Szene des 2. Aktes
fahren Theseus und Charon mit dem beinahe obligatorischen Schiff davon. In dem der
nächsten Szene folgenden Ballo entsteigen drei Furien »einem Walfisches=Kopffe und
tantzen«. In der 12. Szene kommt Venus »auff einer hellglänzenden Wolcken umbgeben
mit Cupidons«.
Dass diesen Opern eigens Ballettszenen eingefügt und sie durch ein Grand-Ballet
beschlossen wurden, bei denen sich der Adel angemessen präsentieren konnte, sei nur
vermerkt, da ich mich an anderer Stelle über diese Modifikationen bereits geäußert
habe.21
Hatten die neuen Maschinen zunächst einmal die Fantasie beflügelt, so verwundert
die Zurückhaltung bei deren Nutzung zu Beginn der 1690er-Jahre. So wurde für die
1692 erfolgte Wiederaufführung von Gianettinis Medea allenfalls noch eine Flugma-
schine (?) für Medeas von zwei Monstern gezogenen Wagen erforderlich, da der Pro-
log entfiel. Keine der ebenfalls 1692 aufgeführten Opern von Clemente Monari, der im
Libretto seiner La Libussa im übrigen als »Maestro di Capella
| di
| S. A. S.« bezeichnet
wird, benötigt eine aufwändige Bühnenmaschinerie; allenfalls in Gl’Amori innocenti
nutzt Daliso »un batello« (II/7). Dabei hatten Monari bei der Komposition seiner Opern
und der Textdichter Flaminio Parisetti bei der Erfindung seines Plots sicherlich alle
Möglichkeiten, sich auf die technische Ausstattung der Bühne einzustellen. Allerdings
21 Emans 2016b.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Titel
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Untertitel
- Hof – Oper – Architektur
- Autoren
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Herausgeber
- Matthias Müller
- Verlag
- Heidelberg University Publishing
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Abmessungen
- 19.3 x 26.0 cm
- Seiten
- 618
- Schlagwörter
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Kategorie
- Kunst und Kultur