Seite - 315 - in Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur
Bild der Seite - 315 -
Text der Seite - 315 -
Braunschweig – Wolfenbüttel – Salzdahlum
315
Librettisten und Intendanten gewonnen hatte, waren erfolgreiche Aufführungen fast
schon garantiert.
Dass in Braunschweig die Bühnenmaschinerie fast immer zum Einsatz gekommen
ist, bisweilen
– wie etwa in Procris und Cephalus
– in unglaublicher Dichte, belegen die
Libretti der nachfolgend gegebenen Opern. Noch zwanzig Jahre später rühmte Friedrich
von Uffenbach das Haus und zugleich auch die Bühne »mit allen ersinnlichen Decora-
tionen, Maschinen und Erleuchtungen«.25 Ralf Eisinger gibt zudem an, dass die Bühne
so tief war, »daß sie mehr als die Hälfte des ganzen Hauses einnimmt, eine für das
Barock charakteristische Raumdisposition«.26 Dass gerade auch diese Bühnentiefe für
Bühneneffekte genutzt wurde, belegt etwa Giovanni Battista Alveris Il Rè Pastore vom
Februar 1691, wo es in der 10. Szene des
II. Aktes heißt: »S’aprono due porte, che sono
nel fondo del Teatro, e per una si vede il Gabinetto Reale di Ghinicea, per l’altra si vede
il suo letto«. Das scheint doch zumindest ein Spiel mit den Tiefendimensionen wider-
zuspiegeln. Ähnlich nutzt auch Kriegers Wettstreit der Treue die Bühnentiefe im
II.
Akt,
Szene 10: »Der Prospect öffnet sich /
und verlängert diesen Garten / welcher durch und
durch mit anmutigen blumen=töpfen ausgezieret ist.« Noch deutlicher wird dies in Kei-
sers Procris und Cephalus von 1694; mitten in der 14. Szene des II. Aktes nämlich heißt
es: »In dem hintersten grund der höle geschiehet eine plötzliche öffnung / durch welche
man als in einem gesichte / in höchster klarheit / den Cephalus unter vielen Frauenzim-
mer mit verliebten gebärden sitzen siehet.« Und wenig später, noch in derselben Szene,
sieht man »Durch die öffnung der höle
[…] den Cephalus todt auf einer bahre liegen«.
Dergleichen Bühneneffekte weisen die für Aufführungen in Salzdahlum geschrie-
benen Opern nicht auf. Im Gegenteil: Es sieht den Libretti zufolge ganz so aus, als
habe Anton Ulrich beim Bau seines Schlosses, das gewiss auch eine Reaktion auf die
1692 erfolgte Erteilung der Kurwürde an die Hannoveraner Verwandtschaft darstellt,
auf teure Bühnenmaschinen vollständig verzichtet. Selbst die Szenenbilder blieben auf
das Allernotwendigste beschränkt. Es ist entsprechend kein Wunder, dass die hier auf-
geführten Opern zumeist auf arkadische Thematiken und Schäferidyllen komponiert
wurden,27 bei denen die angestrebte »Natürlichkeit« den Einsatz von äußeren Effekten
geradezu verbietet. Wie Sara Smart zu Recht konstatiert, wurde Salzdahlum zum be-
vorzugten Ort »for the festivities based on a pastoral or arcadian theme«.28 Ob damit
allerdings wirklich die Entfernung vom Repräsentationsgeschäft der Braunschweiger
25 Uffenbach 1928, S. 13; zitiert nach Eisinger 1990, S. 92.
26 Eisinger 1990, S. 92.
27 Auch wenn ein Prospekt Johann Oswald Harms’ zu Coussers Narcissus signiert ist mit: »auffs Theatrum
in braunschweig« (vgl. Richter 1963, S.
214), bleibt aufgrund des Stoffes, der nicht benötigten Bühnen-
maschinerie und des privaten Anlasses (Geburtstag von Herzog Anton Ulrich am 4. Oktober 1692) zu
vermuten, dass der im Libretto nicht angegebene Aufführungsort entweder Wolfenbüttel oder Salzdah-
lum war. Dass der Prolog als Schauplatz den »Berg Parnassus in der Gegendt Saltz=Thalen« vorsieht,
mag zusätzlich für letzteren Aufführungsort sprechen.
28 Smart 1989, S. 206–207.
zurück zum
Buch Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur"
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Titel
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Untertitel
- Hof – Oper – Architektur
- Autoren
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Herausgeber
- Matthias Müller
- Verlag
- Heidelberg University Publishing
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Abmessungen
- 19.3 x 26.0 cm
- Seiten
- 618
- Schlagwörter
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Kategorie
- Kunst und Kultur