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GÖTTLICHE INSZENIERUNGEN –
MYTHOLOGISCHE FESTSPIELE AM SPANISCHEN HOF
IM GOLDENEN ZEITALTER
Carlos María Solare
Theater am Hof Philipps III.
Das Spanien des Siglo de Oro konnte sich vor allem während der Herrschaft Philipps
IV.
einer der europaweit reichsten Theatertraditionen erfreuen. Professionelle Schauspieler-
truppen bespielten die in jeder größeren Stadt vorhandenen öffentlichen Theater (die
corrales de comedias) und wurden außerdem regelmäßig an den Hof bestellt, um Privat-
aufführungen (sog. particulares) der erfolgreichsten Stücke für die Mitglieder der könig-
lichen Familie zu geben. Am Hof selbst schufen die Hofdichter Lope de Vega und Pedro
Calderón de la Barca, die Bühnenbildner des Hoftheaters und die Komponisten der capilla
real neue theatralische Formen, die der Musik eine bedeutende, nach dramaturgischen
Gesichtspunkten ausgearbeitete Rolle zuwiesen. Insbesondere bei den mythologischen
Festspielen (comedias oder fiestas mitológicas) ist ein differenzierter Gebrauch unter-
schiedlicher musikalischer Gattungen festzustellen, der aus der engen Zusammenarbeit
aller Beteiligten entstand.
Die Eltern Philipps
IV. zeigten nur begrenzt Interesse am Theater; der streng religiösen Kö-
nigin Margarita war es aus moralischen Gründen suspekt1 (die Diskussion über die Zulässig-
keit des Theaters überhaupt sollte die Spanier noch sehr lange beschäftigen), und Philipp
III.,
der ein begnadeter Tänzer war, bevorzugte eher die Veranstaltung von Bällen.2 Diese bilde-
ten oft den krönenden Abschluss einer máscara, d.
h. einer ›revueartigen‹ Bilderfolge, die
von Mitgliedern des Hofes aufgeführt wurde. Es liegen u.
a. ausführliche Beschreibungen
eines solchen Spektakels vor, das sich am 16.
Juni 1605 in Valladolid ereignete (wo der Hof
damals residierte), als Abschluss der sich über Monate erstreckenden Feierlichkeiten zur
Geburt des Thronfolgers, des späteren Philipp
IV., der am 8.
April zur Welt gekommen war.3
1 »A las comedias y fiestas públicas se hallaban más por fuerza que de grado, y más por cumplir con los
pueblos y príncipes que las hacían que por gusto suyo.« Zit. nach Stein 1993, S. 69, Anm. 9 (Diego de
Guzmán: Vida y muerte de doña Margarita de Austria, Madrid 1617, fol. 70v.).
2 »El señor rey don Felipe Tercero las dio
[a las comedias] poca entrada en Palacio por ser su majestad el
más airoso danzarín de su tiempo y gustar mucho de mostrar esta galantería a los saraos que se hacían
en fiestas de años«. Zit. nach Stein 1993, S.
69, Anm. 7 (Francisco Bances Candamo: Theatro de los thea-
tros de los passados y presentes siglos (1689–90), hg. von Duncan W. Moir, London 1970, S. 29).
3 Vgl. Stein 1993, S. 74–76. Die Feier wurde von verschiedenen Hofchronisten ausführlich beschrieben,
siehe dazu etwa Cortés 1916.
Veröffentlicht in: Margret Scharrer, Heiko Laß, Matthias Müller: Musiktheater im höfischen
Raum des frühneuzeitlichen Europa. Heidelberg: Heidelberg University Publishing, 2019.
DOI: https://doi.org/10.17885/heiup.469
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Titel
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Untertitel
- Hof – Oper – Architektur
- Autoren
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Herausgeber
- Matthias Müller
- Verlag
- Heidelberg University Publishing
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Abmessungen
- 19.3 x 26.0 cm
- Seiten
- 618
- Schlagwörter
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Kategorie
- Kunst und Kultur