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Göttliche Inszenierungen – mythologische Festspiele am spanischen Hof im Goldenen Zeitalter
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de Guzmán y Pimentel, conde-duque de Olivares unterstützt und instrumentalisiert.5
Dieser schlaue Politiker wusste sehr gut die wechselseitige Beziehung von Herrscher,
als Mäzen und Förderer, und Kunst, als Instrument der Verherrlichung, zu nutzen. Wäh-
rend seiner Amtszeit wurden das Madrider Schloss (Alcázar) und andere Residenzen
umfassend renoviert sowie das Lustschloss Buen Retiro neu gebaut.
Im Folgenden werden einige comedias mitológicas, die am Hof Philipps IV. gespielt
wurden, etwas näher betrachtet.
La gloria de Niquea (1622)
Die erste höfische Theateraufführung aus der Regierungszeit Philipps
IV. fand im April
1622 während der Feierlichkeiten zum 17. Geburtstag des neuen Königs statt. In den
Gärten des Schlosses zu Aranjuez wurde La gloria de Niquea von Juan Tassis y Peralta,
Graf von Villamediana, gegeben. Die Bühnenbilder und die Maschinen, die nötig wa-
ren, um die zahlreichen szenischen Effekte des Stückes zu realisieren, betreute Giulio
Cesare Fontana, »ingeniero mayor, y superintendente de las fortificaciones del Reyno
de Nápoles«6 und der erste von mehreren italienischen Fachleuten, die am spanischen
Hof Theateraufführungen betreuten.
Die Schauspieler waren Mitglieder der königlichen Familie7 und des Hofes, und
zwar nicht nur Adlige: Die Rolle der Nacht wurde von einer farbigen portugiesischen
Zofe übernommen.8 Die erhaltene Beschreibung der Aufführung von Diego Hurtado
de Mendoza lässt erkennen, dass die Bühnenmaschinerie durchaus in der Lage war,
außergewöhnlich komplizierte szenische Abläufe zu realisieren. Das Bühnenbild stellte
zunächst einen Berg dar, der sich später öffnete, um ein Schloss zu zeigen. Die Säulen
der Schlossfassade verwandelten sich in Riesen, als sich der Held Amadís dem Eingang
näherte, genauso wie im Prolog des Stückes, als Nymphen aus den Bäumen hervorge-
kommen waren. Aurora stieg nieder, versteckt in einer Maschine, die eine Wolke dar-
stellte und aus der ein goldener Regen fiel. Eine Nymphe wurde von einem Adler ge-
tragen. Fontana beherrschte offenbar sein Handwerk; wenn man bedenkt, dass es sich
um eine speziell für die Aufführung gebaute Freilichtbühne handelte, erscheint seine
Leistung umso bemerkenswerter.
5 Dieser ungewöhnliche Titel – von seinem Träger erfunden
– kam dadurch zustande, dass Don Gaspar,
der den Titel eines Grafen (conde) von Olivares von seinem Vater geerbt hatte, zusätzlich zum Herzog
(duque) von Sanlúcar la Mayor ernannt wurde.
6 Hurtado de Mendoza 1947, S. 8.
7 Die Titelrolle wurde von der Infantin Ana – der späteren Frau Ludwigs XIII. – gespielt; die Königin
übernahm die stumme Rolle der »Göttin der Schönheit«.
8 »[…] una portuguesa negra, excelentísima cantora, criada de la Reina, vestida con saya entera de tafetán
negro sembrada con estrellas de plata.« Hurtado de Mendoza 1947, S. 15.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Titel
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Untertitel
- Hof – Oper – Architektur
- Autoren
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Herausgeber
- Matthias Müller
- Verlag
- Heidelberg University Publishing
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Abmessungen
- 19.3 x 26.0 cm
- Seiten
- 618
- Schlagwörter
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Kategorie
- Kunst und Kultur