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Carlos María Solare
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Cosimo Lotti
La gloria de Niquea bildete den Anfang einer Reihe von fiestas mitológicas, die am Hof
Philipps
IV. aufgeführt wurden. Ihnen allen war der außerordentliche Aufwand an büh-
nentechnischen Effekten gemeinsam. International führend in diesem Feld waren die
Italiener. Nach Fontana ließ der König 1626 den florentinischen Bühnenbildner und
Theatermaschinenbauer Cosimo Lotti nach Madrid berufen, dem nach seinem Tod 1643
sein Landsmann Baccio del Bianco nachfolgte. Beide verstanden es, die spanische Vor-
liebe für immer neue Bühneneffekte und szenische Überraschungen zu befriedigen,
auch wenn sie ihnen selbst übertrieben vorkam. Wie Baccio del Bianco an den Groß-
herzog Ferdinando II. von Toscana schrieb, mochten die Spanier »voli d’ogni sorta,
precipizzi […] fracassi, rovine, tremuoti e spaventi«.9 Lotti kam nach Madrid zunächst
als fontanero – d. h. als Spezialist im Bau von Brunnen und Wasserspielen für die kö-
niglichen Gärten. Einige der von ihm gebauten Brunnen sind heute noch erhalten,
beispielsweise in den Gärten des Schlosses zu Aranjuez, die Lotti in Anlehnung an
die Boboli-
Gärten einrichtete. Außerdem gestaltete er die Gartenanlagen von El Pardo
nach dem Modell einiger Villen der Region Frascati. Sein Hauptwerk sollte die Gestal-
tung der Gärten des Lustschlosses Buen Retiro werden.
La selva sin amor (1627)
Zusätzlich zu diesen Aufgaben plante Lotti eine »commedietta in musica all’usanza di
Firenze con machine«,10 mit der er den König zu beeindrucken gedachte, um eine dauer-
hafte und besser honorierte Einstellung am Hof zu erhalten.11 Bei diesem Versuch, die
in Florenz beliebte Gattung der favola in musica in Madrid einzuführen, wurde er von
den Angehörigen der florentinischen Gesandtschaft nach Kräften unterstützt. Lottis
»commedietta« La selva sin amor ist in die spanische Musikgeschichte als die erste spa-
nische »Oper« eingegangen, denn sie war offenbar durchgehend vertont. Dieser Um-
stand war »cosa nueva en España«, wie der Librettist des Stückes berichtete, der kein
Geringerer war als der Hofdichter Lope de Vega. Lope zeigte sich vom Erfolg des Expe-
riments zufrieden; er fand, dass seine Verse durch die Musik an Ausdruck gewannen,12
und lobte die Darstellung der verschiedenen Affekte, die durch diese möglich war.13
9 Bacci 1963, S.
71.
10 Whitaker 1984, S. 65.
11 Stein 1993, S.
191–192.
12 »[…] quando sente cantar i suoi versi con questa sorte di musica, se ne va in dolcezza.« Whitaker 1984,
S.
63.
13 »[…] haciendo en la misma composición de la música, las admiraciones, las quejas, los amores, las iras,
y los demás afectos.« Vega 1965, S. 187.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Titel
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Untertitel
- Hof – Oper – Architektur
- Autoren
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Herausgeber
- Matthias Müller
- Verlag
- Heidelberg University Publishing
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Abmessungen
- 19.3 x 26.0 cm
- Seiten
- 618
- Schlagwörter
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Kategorie
- Kunst und Kultur