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Helena Langewitz
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In der Aufforderung an Spanien, sich untertänig zu erweisen und sich dem Jubel anzu-
schließen, offenbart sich das Anliegen Karls VI., die spanische Königskrone nicht auf-
zugeben. Dieses tritt auch in den Leopold Johann verliehenen Titeln eines Infanten von
Spanien und Prinzen von Asturien zutage.76
Wie in dem sechzehn Jahre zuvor aufgeführten Dramma per musica La costanza
d’Ulisse finden die Protagonisten von Angelica vincitrice d’Alcina zu einer Lösung, durch
die die Insel erhalten bleibt, jedoch kultiviert und annehmlich gestaltet wird. Auch hier
wird mit der Zauberin mildtätig verfahren und Alcina zu einem tugendsamen Lebens-
wandel bekehrt. Damit knüpfen die Urheber der Teichtheaterinszenierung an das frü-
here Beispiel an und lassen sie im Vergleich mit der französischen Adaption des Stoffes
kaiserlich-österreichisch erscheinen.
Fazit
Die vergleichende Betrachtung der zwischen 1664 und 1716 am französischen Königs-
hof und am Wiener Kaiserhof inszenierten Inselreiche erfolgte auf Grundlage der Un-
tersuchung der dramatischen Handlung, ihrer Umsetzung auf der Teichtheaterbühne
und ihrer bildkünstlerischen Vermittlung sowie vor dem jeweiligen politischen Hinter-
grund mit dem Ziel, unterschiedliche Herrschaftsstile zu identifizieren.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die vorgestellten Zauberinseln der
Circe und der Alcina zunächst weiblich konnotierte Herrschaftsgebiete darstellen. Die
Regentschaft der Zauberinnen äußert sich u. a. daran, dass sie den Inseln durch ihre
übernatürlichen Kräfte eine ihnen genehme Form und ein ihren Zwecken dienliches
Aussehen verleihen können. Auch die (männlichen) Besucher ihrer auf dem Wasser
angesiedelten Territorien werden dazu angehalten, sich dem Willen bzw. der Liebes-
bedürftigkeit ihrer Beherrscherinnen zu unterwerfen. Die Insel steht für ein klar um-
rissenes Herrschaftsgebiet, innerhalb dessen Grenzen lediglich eine Person herrschen
und die Gesetze vorgeben kann. Als eindeutig identifizierbare Machtzentrale fungiert
in der erwähnten Teichtheateraufführung am französischen Königshof ein auf der Insel
angebrachter künstlicher Palastaufbau.
Inszeniert wird die Verzauberung der Inseln durch Bühnenbilder und die Techniken
der Verwandlungsmaschinerie. In Versailles ist es der Palast, der sich vor den Augen
der Zuschauer auf wundersame Art und Weise öffnet. Bei den beiden Wiener Beispie-
len sind es die Inseln selbst, die, von der Zauberin verwandelt, Aussehen und Beschaf-
fenheit ändern und in Bewegung versetzt werden. Die wandelbare Erscheinung der
Insel soll dabei in den der Zauberin ausgelieferten Inselbesuchern, stellvertretend für
das Publikum, bestimmte Affekte auslösen. Die Helden und Heldinnen werden vor die
76 Vgl. Sommer-Mathis 2016, S. 169.
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Buch Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur"
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Titel
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Untertitel
- Hof – Oper – Architektur
- Autoren
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Herausgeber
- Matthias Müller
- Verlag
- Heidelberg University Publishing
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Abmessungen
- 19.3 x 26.0 cm
- Seiten
- 618
- Schlagwörter
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Kategorie
- Kunst und Kultur