Seite - 52 - in Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern - Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
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stoppen.«71DieseAussage ist sehr interessant, enthält siedochnoch immerdie
These, dass die Araber noch viel weiter vorgestoßen wären. Was hier mit
»Mitteleuropa« gemeint ist, bleibt vage. Vom geografischen Standpunkt her
kannkaumZentralfrankreichgemeintsein,sodassdieAussagenochimmerdie
These impliziert,KarlMartell habeEuropa (undDeutschland?) gerettet.
Wennüberhauptnochexplizit vonder »RettungEuropas«dieRede ist, ver-
steckt man sich auch hier hinter der Deutung nicht genannter Quellen und
nimmt dazu nicht Stellung. So heißt es beispielsweise inGeschichte und Ge-
schehen: »In der Schlacht bei Poitiers 732 wurden sie [die Araber] von den
Franken geschlagen. Die Europäer sahen dies als Rettung des christlichen
AbendlandesvordenMuslimen.«
Um der curricularen Forderung gerecht zu werden, Geschichtskultur zu
thematisieren, werden immerwieder auch nationaleMythen in Schulbüchern
als solche thematisiert.72 In den für G8 in Nordrhein-Westfalen zugelassenen
Schulbüchern istdies inBezugaufdenKarl-Martell-MythosnichtderFall. Ein
aktuellesBeispiel findet sich jedoch inGeschichte entdeckenvomC.C.Buchner
Verlag (Real- und Gesamtschulen, Hessen) von 2014. Unter derÜberschrift
»KarlMartell –RetterdesAbendlandes?«wirdeinAuszugvonKarlFerdinand
Werner zitiert:
War Karl Martell bei Poitiers der Retter des Abendlandes? […] Selbstverständlich
warendieWälderNordfrankreichs nicht von einer länger dauerndenEroberung be-
droht:DieAraber konntenundwollten sichdort nicht niederlassen. […]Der Süden
FrankreichswurdezwarvondenMohammedanern(sic!)befreit, aberdafür vonKarl
unterworfen.73
DasmerowingischeFrankenreichals»Wälder«zubezeichnenunddenFranken
damit implizit Hinterwäldlertum zu unterstellen, ist an sich bereits nicht
wertneutral. Die Behauptung, dass die Araber sich dort »selbstverständlich«
nicht hätten etablierenwollen, ist durch die Quellen nicht begründbar. (Was
hätte dagegen gesprochen?) KarlMartell dann sogar als den eigentlichen Be-
satzerdarzustellen,kehrtdenSpießvollendsum.DieKarolinger, suggeriertder
Text, seien Imperialisten gewesen, deren aggressive Expansionman ablehnen
müsse. DieAufgabe »Beachte, wie einHistoriker heute den SiegKarlMartells
71 AustermannundLendzian,ZeitenundMenschen, Bd.1, 2008, 200; soauchdie sprachliche
Regelungimdeutsch-französischenGemeinschaftsschulbuch:»LeurprogressijnenEurope
est cependant stopp8e, en 732, / la bataille de Poitiers.«; Rainer Bendick (Hg.),Histoire/
Geschichte.L’Europeetlemondedel’Antiquit8#1815,Stuttgart:Klett&Paris:Nathan,2011,
90.
72 Vgl. z.B. die Beiträge von Björn Onken, Susanne Grindel, Christoph Kühberger, Julia
Thyroff,MarkusFurrerundChristinePflüger indiesemBand.
73 Karl FerdinandWerner,DieUrsprüngeFrankreichs bis zumJahr 1000, Stuttgart:Deutsche
Verlags-Anstalt, 1989, 369.
FelixHinz52
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY
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Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Titel
- Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
- Untertitel
- Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Autoren
- Roland Bernhard
- Susanne Grindel
- Felix Hinz
- Herausgeber
- Christoph Kühberger
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0686-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 294
- Kategorie
- Lehrbücher