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Daraus ergibt sich, dass derMythos eine zwarmehr oderminder anerkannte
Narration ist, derenPlausibilität sich aber bei nähererBetrachtungals proble-
matisch erweist.37Um einenMythos zu analysieren ist es daher wichtig, die
Ausschmückungenundpolitischen Implikationenzu identifizieren.
Dies bedeutet, dass aus der Darstellung der Schulbücher aus dem frühen
neunzehnten Jahrhundert nur das als mythisch charakterisiert werden kann,
was von Zeitgenossen ausgeschmückt bzw. glorifiziert wurde, also über das
hinaus ging, was um 1800 als empirisch triftig erkennbar gewesenwäre. Zur
AnalysedesHermannsmythos indenSchulbucherzählungen ist esdaher sinn-
voll,vomForschungsstandderZeitgenossenauszugehen.Bisweitinsachtzehnte
Jahrhundert galten die antikenAutoren alsAutoritäten, so dassDarstellungen
zur Varusschlacht aus der Zeit vor 1800 sich zumeist eng an die antiken
Schriftsteller anlehnten.38 Die so entstandene Rekonstruktion der Ereignisse
zeichnete sich durch große Nähe zu denQuellen aus, was im Fall der Varus-
schlacht bedingte, dass die vonBredowundCammerer skizzierteAbfolge der
Hauptereignissebisheuteanerkanntwird.39Zuvielendarüberhinausgehenden
AspektendesGeschehens–voralleminEinschätzungenundInterpretationen–
kommtdieGeschichtsschreibungbis heute aber zu sehr unterschiedlichenEr-
gebnissen,40wasfürdieVerklärungzumMythosgünstigeVoraussetzungenbot.
Nicht nur der Ort des Schlachtfelds ist umstritten. Auch über die historische
Bedeutung der Varusschlacht wird bis heute kontrovers diskutiert.41Umeine
herausragende Stellung der »Schlacht im TeutoburgerWald« im historischen
Geschehen zu belegen, berief sich Bredow auf das »eigene Geständnis der
37 Ebd., S. 20.
38 Peter KuhlmannundHelmuth Schneider, »Die Altertumswissenschaften vonPetrarca bis
zum20. Jh.«, in:Dies. (Hg.),GeschichtederAltertumswissenschaften.BiographischesLexi-
kon.DerNeuePaulySupplemente6,Stuttgart:J.B.Metzler,2012,XV–XLVII,XXX;KarlH.L.
Welker, »DieVarusschlacht in derGeschichtsschreibungdes 18. Jahrhunderts«, in: Rainer
Wiegels (Hg.),Verschlungene Pfade. NeuzeitlicheWege zurAntike, Rahden/Westf.: Verlag
MarieLeidorf, 2011, 9–23, 12;Für einewichtigeAusnahmesieheebd., 14.
39 Allerdings istdieQuellenlage fürdie römischeBesatzungspolitikproblematisch.Versuche,
die römischeSpracheeinzuführen,wieBredowgeneralisierendbehauptet, sindhöchstun-
wahrscheinlich.
40 Vgl. für einen prägnantenÜberblick zu den Problemkreisen der Rekonstruktion aus den
Quellen: Michael Sommer, Die Arminiusschlacht. Spurensuche im Teutoburger Wald,
Stuttgart:AlfredKrönerVerlag, 2009, 77–90.
41 In der aktuellen Forschung überwiegt allerdings die Einschätzung, dass der Sieg in der
Varusschlacht nicht kriegsentscheidendwar, vgl. ReinhardWolters, »Die Schlacht imTeu-
toburgerWald.Varus,Arminiusunddas römischeGermanien«, in:ErnstBaltrusch (Hg.),
2000 JahreVarusschlacht. Geschichte – Archäologie – Legenden, Berlin: DeGruyter, 2012,
3–21, 18; Dieter Timpe bezeichnet dieVarusschlacht als »einschneidendes Ereignis«, was
angesichts des folgenden römischen Rückzugs hinter den Rhein zutreffend ist, aber die
Kriegsentscheidung offen lässt, vgl. Timpe,Varusschlacht, 648; für einen entscheidenden
EinflussderVarusschlacht zuletzt: Sommer,Arminiusschlacht, 168.
DerHermannsmythos indeutschenSchulbüchernvon1800bis2000 67
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Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Titel
- Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
- Untertitel
- Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Autoren
- Roland Bernhard
- Susanne Grindel
- Felix Hinz
- Herausgeber
- Christoph Kühberger
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0686-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 294
- Kategorie
- Lehrbücher