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Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern - Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
Seite - 108 -
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Männer aufgestanden, die diese »alte barbarische Zeit« endlich überwunden hätten.BehaimhabeindiesemZusammenhangeinneuesundexklusivesWissen umdieKugelgestalt geliefertunddamit zurwissenschaftlichenRevolutionwe- sentlich beigetragen. Die Geschichte ist eingebettet in ein darüber liegendes Narrativ,indemderBogenvonderphilosophischenStrömungdesHumansiums über die Entdeckungen, ErfindungenundReformationbis hin zuKopernikus undGalilei gespannt wird. In dieserMeistererzählung, die eine »fundierende Erzählung[en]«83 der Neuzeit darstellt, sind der Globus Behaims und die ÜberwindungdermittelalterlichenErdscheibentheorienebenderEntdeckung Amerikas und dem kopernikanischen heliozentrischenWeltbild konstitutive Elemente. Dabei handelt es sich um ein Konglomerat vonmehreren empirisch nicht triftigenErzählungen, die sich gegenseitig stützen.DieKontextualisierungBe- haims in diesem Zusammenhang ist nicht nachvollziehbar und nicht be- gründbar.WenndasMittelalter tatsächlich von einer sphärischenErde ausge- gangen istundGlobenvorBehaimexistierten, sostellt sichdarüberhinausdie entscheidendeFrage,auswelchemGrundeinemDeutschen,dereinenvonvielen Globen der damaligen Zeit zufälligerweise im Jahr 1492 herstellte, ein sopro- minenter Platz in Schulbüchern eingeräumt wird. Die retrospektive Bedeu- tungszuweisung ist nicht plausibel, insofern sie entweder selbst nicht nach- vollziehbar oder aber auf empirisch nicht begründbare Erzählungen gründet –es bedarf desMythosder flachenErde, damit derBehaimmythosüberhaupt erzähltwerdenkann. AufderEbenedernormativenTriftigkeit istdanachzu fragen,welcheSinn- und Identitätsangebote in einerGeschichte vorhandensindundwelcheOrien- tierungausderBeschäftigungmit derVergangenheit imSinne einerBotschaft oderHandlungsanweisung für die Zukunft gewonnenwird.84Mit derBehaim- erzählung ist die Selbstinzenierung einer wissenschaftlichenModerne in Ab- grenzungzumMittelalterverbunden.»Das›Mittelalter‹gilt fastalssynonymfür allesDunkle undReaktionäre.«85DieBehaimgeschichte trägt in Schulbüchern dazu bei, für eine angeblicheÜberlegenheit »unserer Zeit« zu argumentieren: »EsgehörtzudenGrundüberzeugungendermodernenWelt,dasswirEuropäer unsimZugederRenaissancemitdemLichtderAntikeausdemStumpfsinnund 83 Assmann,Mythos, 19. 84 Zur normativen Triftigkeit vgl. auch Christoph Kühberger, »Normative Triftigkeit«, in: ChristophKühberger undDirkMellies (Hg.), Inventing theEU. ZurDe-Konstruktionvon »fertigenGeschichten«über die EU indeutschen, polnischenund österreichischen Schulge- schichtsbüchern, Schwalbach/Ts.:WochenschauVerlag, 2009, 154–196. 85 AaronGurjewitsch,DasWeltbilddesmittelalterlichenMenschen,Dresden:VerlagderKunst, 1978, 6. RolandBernhard108 Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY
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Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
Titel
Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
Untertitel
Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
Autoren
Roland Bernhard
Susanne Grindel
Felix Hinz
Herausgeber
Christoph Kühberger
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7370-0686-6
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
294
Kategorie
Lehrbücher
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