Seite - 127 - in Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern - Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
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Darstellungen des deutschen Siedlerkolonialismus verbinden die Schulbücher
mit einemvölkisch geprägten Blick auf das sogenannte Auslandsdeutschtum.
DiePflege»deutschenBrauchtums«bildetdieBrückezwischendenDeutschen
im InlandunddenSiedelnden inÜbersee. Es kommen»alsAuslandsdeutsche
alle dieDeutschen inBetracht, die als Siedler in fremdemVolkstumeineneue
Heimat gefunden haben, aber trotzdem ihrer Verbundenheit mit deutscher
Kultur und deutschemVolksbewusstsein sich durch Erhaltung der deutschen
Sprache und der deutschen Sitten bewußt sind«34, heißt es in einem Ge-
schichtsbuchausderWeimarerRepublik.Die30MillionenAuslandsdeutschen,
diedasSchulbuchzählt,seienfürdaskulturelleÜberlebendesdeutschenVolkes
unverzichtbar.EineaufMitteleuropabezogeneKartedes»deutschenVolks-und
Kulturbodens« bekräftigt diesen Anspruch, indem sie weite Teile vor allem
östlich der Reichsgrenze entweder zusammenhängend als deutschen Kultur-
bodenoder als »Streu- und Inseldeutschtum«bezeichnet. Es entsteht dasBild
einerNation,die sichweitüber ihreGrenzenhinwegausdehntund tatsächlich
lässt sich die Karte als eine Blaupause für die aggressive nun nachOsten ge-
richteteExpansion imZweitenWeltkrieg lesen.35
Narrative
Das Narrativ von europäischer Dynamik und afrikanischer Stasis bildet ein
weiteres Element desKolonialmythos. Es basiert auf diskursiver Entgegenset-
zung undAbgrenzung. Europa nimmt in dieser ErzählungdieRolle des aktiv
Handelndenein,währenddieKolonienpassiveObjekte europäischerZivilisie-
rungs- und Modernisierungsbemühungen bleiben. Das gilt naturgemäß für
Darstellungen,diehegemonialeSichtweisenaufdieKolonienvermitteln.Estrifft
aberauchfürDarstellungenzu,diesichumeinepositiveWürdigungbemühen,
wiedas folgendeBeispiel zeigt.
Derbritische Schriftsteller,Historiker undSoziologeHerbertGeorgeWells,
AutorweltbekannterScience-FictionRomanewieKriegderWelten,schrieb1925
Lincoln: University ofNebraska Press, 2005, 21–40; Daniel JosephWalther,CreatingGer-
mansabroad.Cultural Policies andNational Identity inNamibia, Athens:OhioUniversity
Press, 2002; John Lonsdale, »Kenya. HomeCountry andAfrican Frontier«, in: Robert A.
Bickers (Hg.) Settlers and Expatriates. Britons Over the Seas, Oxford: Oxford University
Press, 2010, 74–111.
34 Otto Boeliz,DasGrenz- undAuslandsdeutschtum. Seine Geschichte und seine Bedeutung,
München:Oldenbourg,2.Auflage1930,3.Kartedes»deutschenVolks-undKulturbodens«
ebda.Anhang.BesondersdasVorwortder1926zuerst erschienenenAusgabeargumentiert
völkisch,umdieverlorenenKolonienweiterhinkulturell fürdasReichzu reklamieren.
35 GuntramH.Herb,»DasgrößteDeutschlandsollessein!SuggestiveKarteninderWeimarer
Republik«, in:HaslingerundOswalt (Hg.),KampfderKarten, 140–151.
MythosKolonialismus.DieeuropäischeExpansion inAfrika 127
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Buch Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern - Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag"
Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Titel
- Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
- Untertitel
- Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Autoren
- Roland Bernhard
- Susanne Grindel
- Felix Hinz
- Herausgeber
- Christoph Kühberger
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0686-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 294
- Kategorie
- Lehrbücher