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Erster Teil.
Grundbegriffe.
I. Staat und Gesellschaft.
Der Staat ist die am höchsten entwickelte, aber nicht die einzige Form
menschlicher Gemeinschaft. Schon vor der Entstehung des Staates haben sich die
Menschen gesellschaftlich zusammengeschlossen, und auch innerhalb der
Staaten bestehen die gesellschaftlichen Beziehungen fort und gewinnen immer
reicheren Inhalt.Woraufberuhtder gesellschaftlicheZusammenschlußderMenschen
und welche von den dadurch gebildeten Gemeinschaften nennen wir Staaten?
Menschliches Leben ist nur im gesellschaftlichen Zustande denkbar. Von den
frühesten Zeiten anvermochten dieMenschennur durch gegenseitige Unterstützung
ihr Dasein zu behaupten, ihren Unterhalt zu sichern. Gefahren zu begegnen. Die
Grundlage ihrer Verbindung bilden allenthalben Geschlechtsgemein-
schaft und Blutzusammenhang, weiterhin Gleichheit der Lebens-
bedingungen, Gemeinsamkeit der Lebensführung und der Interessen. Sie ver-
anlassen die Stammesgenossen, sich untereinander zu vertragen und feindliche
Gruppen gemeinsam zu bekämpfen. Der Stamm wird zur Friedens- und
Kriegsgemeinschaft. Kampf erheischt aber einheitüche Fülurung, es
bildet sich eine Befehlsgewalt heraus; ständig geworden, dient sie auch der
inneren Friedensbewahrung. Niu- solche Gruppen bestehen im Kampfe ums Dasein,
sowohl mit feindlichen Gruppen als auch mit den Gefahren der Natur, die dank
einer ordnenden Gewalt in Krieg und Frieden ilire volle Kraft für die Gemein-
schaftszwecke einzusetzen vermögen. Hier sind die Anfänge jener Entwicklungs-
reihen zu suchen, deren Endpunkte die Staaten bilden.
Einen entscheidenden Fortschritt in dieser Richtung bedeutet die Ausbildung
einer ständigen Autorität, die Anerkennung eines überlegenen Willens, dem
alle sich widerspruchslos unterordnen. Dadurch daß der Kampf um die Fülu-er-
schaft, der Zweifel, was in dieser oder jener Lage zu geschehen habe, erspart bleibt,
sind die Stämme mit festgefügter Autorität den anderen überlegen; diese erliegen
früher oder später ihren besser organisiertenFeinden. Alle Autorität ist ursprünghch
durch persönliche Eigenschaften und Leistungen erworben; später wird sie zu einer
ständigen Einrichtung, indem die dem Begründer der Herrschaft oder Ordnung
zuerkannten Befugnisse auf andere übergehen, die von ihm erlassenen Gebote nach
semem Tode fortwirken. So entsteht eine feste rechtliche Ordnung, die in der Regel
mit religiösen Vorstellungen verknüpft und auf überirdischen Ursprung zurück-
gefülu-t wd.
Die so gefesteten Gemeinschaften werden durch die Fortschritte der Kultur
weiterhin ausgebildet und bereichert. Durch den Übergang von Jagd, Fischfang
oder nomadisierender Viehzucht zum Ackerbau entwickelt sich der Personen-
verband der Stammesgruppe zur Siedlungs g emeinseh af t. Die feste
Verbindungmit Grundund Boden schafftneue wichtige Gemeinschaftsbeziehungen:
ständige Nachbarschaft, eine durch den Wechsel der Jalu-eszeiten und die Produk-
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918