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III. Die Staatstheorien. 23
Rechtes. Diesem handelt es sich um staatliche Belange, also voraus um das
Wohl der Gesamtheit, jenem um die rechtliche Ordnung der Familie und des
Vermögens, also in ersterLinie um die Bedürfnisse der Einzelnen. Das öffentliche
Recht zerfällt in das Staatsrecht, das Strafrecht und in das Völkerrecht. Das
Völkerrecht umfaßt die Rechtssätze, an die sich die zivilisierten Staaten in
ihrem gegenseitigen Verkehre als gebunden erachten. Vom Staatsrecht (im
weiteren Sinne des Wortes) lösen sich Z iv i 1p r o z e ß-^)undStrafprozeß-
recht als besondere Teile los, die man zusammen als Ju s t i z r e c h t^) be-
zeichnen kann. Das Strafrecht kennzeichnet jene Handlungen und Unter-
lassungen, die wegen ihrer schädlichen Wirkung auf die menschliche Gesell-
schaft mit Strafe bedroht sind, und regelt Art und Ausmaß der Strafe.
Das darnach erübrigende Staatsrecht (im engeren Sinne) wird weiterhin in
zwei Teile zerlegt: Als Verfassungsrecht regelt es die Organisation der
öffenthchen Gewaltund ilir grundsätzliches Verhältnis zudenvon ihr Beherrschten,
als Verwaltungsrecht leitet es den Staat bei der Erfüllung der über die
Gesetzgebung und Rechtspflege hinausgehenden Staatsaufgaben.
Ein selbständiges Gebiet des Rechtsordnung ist das Kirchenrecht als
das Recht der organisierten religiösen Gemeinschaften. Auf anderer Grundlage
beruhend, steht es dem staatlichen Rechte selbständig gegenüber, und es ist eine
besondere Frage, wie diese beiden Rechtskreise gegeneinander abzugrenzen sind^).
III. Die Staatstheorien.
Der Zweck aller Staatstheorien ist: das Wesen des Staates wissenschafthch
zu erklären und seine Gewalt sittlich zu rechtfertigen. Die damit gestellten Fragen
haben die Staatsphilosophen aller Zeiten zu lösen gesucht. Wie nicht anders zu
erwarten, waren sie darin von ihrem Staate und ihrer Zeit mein- oder weniger
beeinflußt, indem sie die bestehenden Einrichtungen entweder rechtfertigen oder
im Sinne ilires Staatsideals umgestalten wollten. Die Geschichte lehrt, daß die
Doktrin oft genug denWeg der EntWickelung erkannt oder vorgezeichnet oder
doch treibend oder hemmend in dieselbe eingegriffen hat. Denn auch geistige
Strömungen gehören mit zu den geschichtlichen Mächten. Ist die Staatstheorie
demnach historisch bedingt, so hat sie doch gewisse allgemeine Gesichtspunkte
aufgestellt, die im Wechsel der Zeiten wiederkehren und in mannigfachen Ver-
bindungen in die Gegenwart hinein fortwirken. Sie gehören mit zu ihrem Ver-
ständnis und sind hier in aller Kürze darzustellen, bevor wir die moderne Auf-
fassung entwickeln"*).
^) Der Zivilprozeß dient zwar dem Schutze des Privatrechtes, er gehört jedoch zum öffent-
lichen Rechte, weü die Bewahrung der gesamten Rechtsordnung Aufgabe des Staates und der
hiebei einzuhaltende Vorgang nicht nach dem Interesse der Einzelnen sondern der Gesamtheit
geordnet ist.— '') Zum Justizrechte gehören auch die Rechtssätze, welche die den Gerichten zu-
gewiesenen Verwaltungsgeschäfte, wie Führung des Grundbuches, Pflegschaftswesen usw. regeln.
— 3) Vergl. hierüber das XVII. Kapitel, Seite 129 ff.— *) Ausführüche DarsteUungen : J. C.
B 1 u n t s c h i i, Geschichte des allgemeinen Staatsrechtes und der Politik, München 1864. Her-
mann Rehm, Geschichte der Staatsrechtswissenschaft. Freiburg i. B. und Leipzig 1896.
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918