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Österreichische Bürgerkunde
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28 IV. Die Staatsgewalt und die Richtungen ihrer Betätigung. des Staates sei, sich selbst und seine Glieder gegen äußere Angriffe und innere Un- ordnung zu behüten, die Bedii^ungen seiner zukünftigen Entfaltung sicherzu- stellen, die Rechtsordnung aufrechtzuerhalten und fortzubilden, stimmt ja die moderne Theorie der relativen Staatszweckemit den älterenAnschauungen überein. Ja sie nimmt sogar diese Leistungen ausschließlich für den Staat in Anspruch. Denn hierhandelt es sich in derTat um solidarische Interessen aller Volksgenossen, die streng einheitlich unter Ausschluß jeder anderen Autorität oder Gewalt durch den Staat zu befriedigen sind. Aber der Staat beschränkt sich nicht auf diese ihm allein eigenen Zwecke. Er will auch, so viel an ihm liegt, beitragen zu der auf- strebenden Gesamtentwicklung des Staatsvolkes. Träger dieser Entwicklung ist ja das Volk selbst in seiner gesellschaftlichen Gliederung; seine Kultur beruht in letzter Linie auf den individuellen oder gesellschaftlichen Leistungen der einzelnen Volksgenossen. Aber in vielen und wichtigen Punkten versagt die Privatinitiative. Ohne das planmäßige Eingreifen des Staates, ohne seine Rechtsordnung, seine obrigkeitliche Gewalt und wirtschaftliche Macht, bliebe manches, was das öffent- liche Wohl erfordert, unausgeführt. Wenn die individuellen oder gesellschaftlichen Antriebe zu schwach sind oder die privaten Mittel nicht ausreichen, ist der Staat dazu berufen, die freie Tätigkeit zu ersetzen oder zu ergänzen. Andererseits darf er nicht säumen, ihr Schranken zu ziehen, wo das ungehemmte Walten der Privat- interessen das Gemeinwohl gefährdet. Die Fortschritte der sozialpoütischen Ein- sicht und der Verwaltungstechnik bringen es mit sich, daß der moderne Staat sich immer neue Aufgaben stellt, die dem Solidarinteresse seiner Bevölkerung ent- sprechen,unddaßerimmerneueMittelundWegefindet,umdieseAufgabenzuerfüllen. Indem Wandel der Anschauungen über die Staatszwecke und die Grenzen der Staatstätigkeit spiegelt sich der soziale und politische Umschwung wider, der im Laufedes 19. Jahrhunderts eingetretenist.AmAnfange desJahrhunderts tiefes Miß- trauen gegen den Beruf und die Leistungsfähigkeit des Staates, der Wahn, als ob das Gemeinwohlvon selbst erwüchse ausdem ungehemmten Spiel der individuellen und gesellschaftlichen Bestrebungen. Am Ausgange des Jalu^hunderts Einsicht in die Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung, das Gefühl der Gemeinsamkeit und der gegenseitigen Verantwortlichkeit, gesteigerte technische und organisato- rische Leistungsfähigkeit des Staates wie der Kommunalverbände und festeres Zu- trauen in dieselbe. So greift der Staatimmer tiefer in dasLeben jedes Einzelnen ein, immer deutlicher werden seine Zwecke als die gemeinsamen Zwecke aller Einzelnen, seine Befehle und Forderungen nicht als Auflagen einer uns fremdenMacht sondern als Gebote eines solidarischen Gemeininteresses empfunden, in dem unser eigenes Interessemit enthalten ist. Immer fester wird das Band, das diu^ch den gegenseitigen Austausch der Leistungen und Dienste jeden Einzelnen mit dem Staate und durch den Staatmitden inihmgeeintenVolksgenossen verbindet,immer klarer das Staats- bewußtsein. IV. Die Staatsgewalt und die Richtungen ihrer Betätigung. Die Untersuchungen des ersten Kapitels über Staat und Gesellschaft haben gezeigt, daß jeder menschliche Verband einer schirmenden und ordnenden Gewalt bedarf^). Die Gewalt des Staates ist die höchste in seinem Gebiete. Der Gewalt 1^ Siehe oben S. 15.
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Österreichische Bürgerkunde
Titel
Österreichische Bürgerkunde
Autor
Heinrich Rauchberg
Verlag
Verlag von F. Tempsky
Ort
Wien
Datum
1911
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
16.4 x 24.0 cm
Seiten
278
Kategorien
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