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V. Die Staatsformen. 31
Wenn man neben der Verwaltung auch noch von Regierung spricht, so
verstehtman darunter einDoppeltes : im objektiven Sinne die nicht durch Gesetze
gebundene Staatstätigkeit, insbesonderedieAufstellung undVerfolgungderZiele der
Gesetzgebung und die Behandlung politischer Fragen ; im subjektiven Sinne den
hiermit befaßten Personenkreis, hier insbesondere wieder die leitenden Personen,
im engsten Sinne nur die Minister, deren Auswahl und Zusammenwirken ja stets
auf einem bestimmten politischen Programme beruhen. Über die Rechtmäßigkeit
der Verwaltung urteilen die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes, über die Regie-
rung urteilt die Geschichte.
Daß solchermaßen mit Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung be-
sondere Organe betraut sind, ist nicht nur in den Vorzügen zweckmäßiger Arbeits-
teilung begründet, die ja den Erfolg jeglicher Tätigkeit steigert. Es wu-d dadm-ch
auch demMißbrauch der Staatsgewalt vorgebeugt, der dann leichter
möglich ist, wenn die gleichen Personen das Recht schaffen und es zugleich hand-
haben oder wenn die Rechtspflege abhängigen Verwaltungsbeamten anvertraut
ist. Diese Einteilung ermöglicht es ferner, jeder der drei Gruppen von Staats-
organen die sachdienlichste Organisation zu gebenund hiebei auch die Staatsbürger
heranzuziehen : zurGesetzgebung als Mitglieder der parlamentarischen Vertretungs-
körper, zur Rechtsprechung und Verwaltung in der Form des Elirenamtes. Darum
ist die getrennte Organisation der drei Staatsfunktionen als eine Gewähr politischer
Freiheit in den modernen Verfassungen festgelegt worden.
V. Die Staatslormen.
Um die bunte Mannigfaltigkeit der Staaten, die uns die Geschichte und die
Betrachtung der gegenwärtigen Staaten kennen lelu-t, nach wissenschaftlichen
Gesichtspunkten zu ordnen, teiltman die Staaten nach der Art und Weise ein, ^\ie
ilir Wille gebildet wii'd. Die Merkmale, welche die Verfassung der so gewonnenen
empirischen Staatstypen^) kennzeichnen, pflegt man als Staats-
formen zu bezeichnen. Da die Verfassung eines jeden Staates das Ergebnis
seiner Geschichte ist, können die Staatsformen nicht etwa die Grundlage von Wert-
urteilen bilden. Sie sind lediglich Behelfe zum wissenschaftlichen Verständnisse der
Staaten.
Die durchgreifendsteEinteilungergibt sich darnach, ob eine einzigePerson oder
eine Mehrheit von Personen oberster Willensträger ist, ob also lediglich ein
physischer AVille oder ein aus mehreren physischen Willen nach Rechtsregeln
abgeleiteter juristischerWille als oberster Staatswille gilt. Die Staaten, in welchen
das erstere zutrifft, sindMonarchien; alle anderen Staaten sindRepub 1 iken^),
1) Von den aus der Beobachtung der historischen Staaten gewonnenen, also empirischen
Durchschnittstypen verschieden sind die I d e a 1 1y p e n, in welchen die Staatsphilosophen ihre
Ideen über den bestmöglichen Staat deutlich machen wollen. Die berühmtesten Beispiele hiefür
sind die in Piatos ,,Politeia" und ,,Nomoi" (die Gesetze) dargestellten Idealstaaten.— ^) Des
Aristoteles ,,Politik" enthält diegrundlegendeEinteilung der Staaten, welche für die mittel-
alterliche Staatslehre maßgebend war und bis in die Gegenwart hinein nachwirkt. Je nachdem
der Staat dem Gemeinwohl oder den selbstsüchtigen Absichten der Gewalthaber dient, teilt
Aristoteles die Staaten ein in Monarchien, Aristokratien und Politien oder in Tyrannenstaaten,
Oligarchien und Demokratien. Die Zweiteilung in Älonarchien (Fürstentümer) und Republiken
geht auf Niccolo Machiavelli (1469—1527) zurück, dessen politisches Hauptwerk
,,I1 Principe" 1515 erschienen ist.
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918