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V. Die Staatsformen. 33
den Fürsten, die Macht der Stände zu brechen und alle Gewalt in ihrer Hand zu
vereinigen. Zwischen dem Ständestaat und dem modernen Konstitutionalismus
steht auf dem europäischen Kontinent der Absolutismus. Der Übergang zum
Konstitutionalismus vollzieht sich in der Kegel durch eine Neubildung der Ver-
fassung, vermöge welcher der Monarch seine Zuständigkeit nach verschiedenen
Richtungen hin einsclu-änkt : nicht nur durch die bereits erwähnte Mitwirkung des
Parlaments bei der Gesetzgebung, sondern auch durch dessen Kontrollbefugnisse,
durch die Gegenzeichnung der Regierungsakte durch die dem Parlamente ver-
antwortlichen Minister und durch die Unabhängigkeit der Gerichte. Dasmonar-
chische Prinzip wnd auch in der konstitutionellen Monarchie dadurch
gewahrt, daß jene Beschränkungen auf einem freien Willensakte des Monarchen
als des Urhebers der Verfassung beruhen und die ursprüngliche Machtvollkommen-
heit des Monarchen nur soweit einengen, als dies in der Verfassung ausdrücküch
ausgesprochen ist.
Die sogenannteparlamentarischeMonarchie ist von der konsti-
tutionellen Monarchie nicht durch juristische Merkmale unterschieden. Sie ist
nur eine politische Abart derselben. Man bezeichnet jene konstitutionellen Mon-
archien als parlamentarische, in welchen die poütische Macht des Parlaments
der Kjone gegenüber so stark ist, daß die Mnister regelmäßig der Parlaments-
mehrheit entnommen und die Geschäfte im Sinne dieser Melu-heit geführt werden.
Ilu- entspricht die Theorie der Volkssouveränetät. Sie ist nichts anderes
als der Ausdruck der geschichthchen Tatsache, daß in jenen Staaten die Verfassung
durch demokratische Mächte entstanden ist. Das wirkt auf die verfassungsmäßige
Stellung des Monarchen insofern zurück, als in jenen Staaten die Rechte des Königs
in der Verfassung scharf umsclu-ieben sind, der König mithin keine anderen Be-
fugnisse besitzt als diejenigen, die ihm die Verfassung ausdrücklich zuerkennt.
In der Republik hat ein Kollegium, eine Mehrheit von Personen, die
höchste Staatsgewalt inne. Ilir Träger verkörpert sich nicht in einer physischen
Person, ilu: Wille ist kein individuellerWille, sondern muß nach Rechtsregeln aus
dem Willen verschiedenerPersonen gebildet werden. Je nachdem dies grundsätzlich
die Gesamtheit der Staatsbürger— in der Regelkommen dabeinur die erwachsenen
männMchen Staatsbürger in Betracht—oder nur ein bestimmterTeil derselben ist,
wkd zwischen demokratischer und aristokratischer Republik
unterschieden. Der Unterschied liegt inden Zahlenverhältnissen und die Gegensätze
sind diu-ch Übergangsformen verbunden. Auch kehrt der Gegensatz zwischen
aristokratischem und demokratischem Typus in der Monarchie wieder, nur daß
er hier nicht in der Handhabung der obersten Staatsgewalt zum Ausdruck gelangt,
sondern in der Vertretung und Geltung der verschiedenen Volksschichten im
Parlamente, in der Selbstverwaltung und bei der Besetzung der öffentüchenÄmter.
Dennin allen Staaten, welcheForm auchimmer ihreVerfassunghabenmag, besteht
ein enger Zusammenhang zwischen der gesellschaftlichen Schichtung und den ihr
zugrunde liegenden ökonomischen Machtverhältnissen oder psychologischen Ein-
flüssen und der Verteilung der politischen Macht. Aber wälu^end die Monarcliie
allen möglichen liierauf beruhenden Bildungen Raum gibt, wirkt der soziale Unter-
grund auf die Form der Republik ziu-ück. Wenn die gesellschaftliche Überlegenheit
gewisser Klassen feststeht, fülu^t sie auch poütisch ziu* aristokratischen Repubük,
indem nur die Angehörigen jener Klassen Anteil an der Herrschaft erhalten, die
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918