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42 VIII. Die Ausbildung des Gebiets.
erhob Ferdinand Anspruch auf die erledigten Reiche. Von den Ständen Mährens
und Schlesiens wurde das Erbrecht Annas und Ferdinand selbst als König an-
erkannt; von den Ständen Böhmens wurde er zum Könige gewählt^). Die Ent-
scheidung Ungarns fiel zwiespältig aus; ein Teil der Magnaten wählte Ferdinand,
ein anderer den siebenbürgischen Wojwoden Johann Zapolya. Es folgten lang-
wierige Kämpfe mit den von den Türken unterstützten Prätendenten, die sich im
Osten beliaupteten. Ein Teil Ungarns stand dmxh längere Zeit unter türkischer
Herrschaft. Erst nachdem die Türkenmacht gebrochen war, gelangten die
Habsburger in den vollen Besitz Ungarns^). Siebenbürgen wurde erst 1696
erworben.
Diewichtigstender seithereingetretenen Gebietsänderungensind die folgenden
Die Abtretung des größten Teiles von Schlesien und der Grafschaft Glatz (1742,
beziehungsweise 1763), die Erwerbung Galiziens (1772/73—1795), der Bukowina
(1774/75), des Innviertels (1779) und des Herzogtums Salzburg (1805, beziehungs-
weise 1814). Nach den Erschütterungen der napoleonischen Zeit stellte der Wiener
Kongreß den Gebietsurafang der Monarchie neuerdings fest^). Seither ist das Gebiet
der Repubhk Krakau erworben (1846) und die Gemeinde Spizza (1878) Dalmatien
einverleibt worden. Die ,,dualistische" Gestaltung der Monarchie im Jahre 1867
bringt es mit sich, daß dieselbe seither in zwei getrennte Staatsgebiete, das öster-
reichische und das ungarische, zerfällt^). In den Jahren 1878 und 1879 erfolgte
die Oldvupation, im Jalu-e 1908 die Annexion von Bosnien und der Herzegowina^).
Der Flächeninhalt und die Bevölkerung der einzelnen staatsrechtlichen Be-
standteile der österreichisch-ungarischen Monarchie ist aus den Tabellen 1 und 2
des Anhanges zu entnehmen. Darnach läßt sich auch die Bedeutung der einzelnen
Landerwerbungen ermessen**).
Aber Land und Leute bilden nur den Stoff des Staates. Welche politische
Macht sie haben, hängt davon ab, wie sie durch die Staatsgewalt zur Walu'nehmung
ihrer Solidarinteressen zusammengesetzt werden. Daher haben wir im nächsten
KapiteldieAusbildung derStaatsgewalt zu betrachten, diu'chwelche die allmählich
erworbenen Länder ziur Großmacht verbunden worden sind.
^) Der böhmische Staat bestand damals aus dem Königreiche Böhmen mit der Grafschaft
Glatzunddem anBöhmen verpfcändeten Bgerlande, der Markgrafschaft Mähren, den lehenrührigen
schlesischen Fürstentümern der böhmischen Krone und den , beiden Lausitzen, die jedoch im
Laufe des Dreißigjährigen Ivrieges verloren gingen. — ^) Zu den Ländern der ungarischen
lüone gehörten, als Ferdinand L sie erwarb, auch noch Siebenbürgen, Kroatien und Slawonien.
In dem ungarischen Königstitel kam schon zur Zeit der Arpaden (um 1300) der Anspruch auf
weitere Länder des Südens und Südostens zum Ausdruck, so insbesondere auf Dalmatien,
Bosnien und einen TeilderHerzegowina, obwohl die HerrschaftUngarns überdieseLänder zumeist
nur dem Namen nach bestand. — ^) Eine neue wichtige Interessensphäre hatte Karl VI. der
Monarchie durch die Erwerbungen aus dem spanischen Erbfolgekriege in Italien er-
öffnet (1714). An Mailand schloß sich späterhin der weitere Besitz Österreichs in Ober-
itaUen. Durch den Frieden von Campo Formio (1792) ging er zwar verloren ; dafür kamen
Venedig (mit dem venetianischen Istrien) und Dabnatien an Ös.terreich. Nachdem Österreich auf
demWiener Kongresse seine italienischen Besitzungen wieder erlangt hatte,wurde 1815 dasLom-
bardisch-venetianische Königreich errichtet und mit dem österreichischen Kaiserstaate vereinigt.
Die Lombardei wurde 1859, Venetien 1866 abgetreten.— *) Vergl. das XI. Kapitel. — *) Vergl.
das XIV. Kapitel.— •) Vergl. die Karte der Territorialentwicklung Österreichs in D r o j' s e n's
historischem Handatlas, 1866.
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918