Seite - 45 - in Österreichische Bürgerkunde
Bild der Seite - 45 -
Text der Seite - 45 -
IX. Die Ausbildung der Staatsgewalt. 45
Aber die Abwehr der von außen, zunächst von den Türken drohenden Gefahren
und die Verfolgung der weiteren durch die geographische Lage gegebenen äußeren
Interessen nötigte zu festerem Zusammenschlüsse der gegenseitig aufeinander
angewiesenen Länder. Ursprünglich ein Gebot der KJriegsnot und der auswärtigen
Interessen, erstreckt sich diePolitik desZusammenschlusses weiterhin auch auf die
inneren Angelegenheiten. Wie ein roter Faden läßt sich durch die Gescliichte Öster-
reichs fortab derGedanke der habsburgischen Herrscher verfolgen, ihren gesamten
Länderbesitz pohtischund militärisch zu einer einheitlichen Großmacht zusammen-
zufassen: der österreichische Gesamtstaatsgedanke^). Ihm verdankt die öster-
reichisch-ungarische Monarchie ilu:e Stellung als em'opäische Großmacht; seine
Durchsetzung füllt die innere Geschichte Österreichs seit dem Beginne der Neuzeit
aus. Die Mittel dazu waren die Gemeinsamkeit der Dynastie und der Thronfolge-
ordnung, die Ausbildung einer einheitlichen Verwaltmig und des kaiserhchen
Heeres, sowie dieAnbahnung derRechtsgeraeinschaft.Um dies alles durchzuführen,
mußte der von partikularistischen Absichten geleitete Widerstand der Stände
beseitigt werden. So kommt es, daß die Ausbildung der Staatseinheit sich in der
Form eines Kampfes zwischen dem aufsteigenden Absolutismus des Landesfürsten
und den widerstrebenden ständischen Gewalten abspielt. Dieser Kampf gehört
der Geschichte an. Hier sind nur jene Momente kurz zu berühren, die für die Aus-
bildung der Staatsgewalt entscheidend waren.
3. Die Ausbildung des Thronfolgerechtes.
Zu einer Zeit, in der der Staatsgedanke hauptsächlich im Monarchen ver-
körpert war, bildete die Stetigkeit der Dynastie eine wesentliche Voraussetzung
des staatlichen Bestandes und mußte die Gemeinsamkeit der Djuastie zu einer
engeren politischen Verbindung der von ihr beherrschten Länder führen. Aber die
Nachfolge in der Regierung war in den altösterreichischen Ländern, in Böhmen
und inUngarnverschieden. Für die ersteren galt vonReichs wegen der Grundsatz,
daß das Haus der Babenberger und späterhin der Habsburger als solches erb-
berechtigt sei; es wurde daher auch das gleiche Recht meln-erer Erben in derForm
der Gesamtbelelmung anerkannt. Auch die Frauen waren erbberechtigt; der
Mannesstamm hatte jedoch den Vorzug. Der Grundsatz der Erstgebm't hatte sich
noch nicht durchgesetzt; Länderteilungen wai-en nicht ausgeschlossen und sind,
wie die Geschichte lelu-t, wiederholt vorgekommen. Dem Einfluß der Stände war
die Tlu-onfolge entzogen; den hausgesetzlichen Verfügungen hierüber kam daher
ohneweiters Gesetzeskraft zu. In Böhmen und Ungarn bestand Einzebiachfolge
unter ständischer Einwirkung. In Bölmien wiu-de der Einfluß der Stände durch die
Verfassungsänderung von 1627 beseitigt und damit das gleiche Tlu'onfolgerecht
hergestellt wie in den altösterreichischen Erblanden. In Ungarn nahmen zwar die
Stände das Recht für sich in Anspruch, unter melireren Mitgliedern des Herrscher-
hauses zu wählen; aber regebnäßig' entschied die Erstgeburt. Erst im Jalu-e 1687
wurde die Erbfolge der männlichen Habsbmger nach dem Rechte der Erstgebmt
in Ungarn gesetzlich anerkannt und insoweit das ständische Wahkecht beseitigt.
Die neuzeitliche Entwicklung des österreichischen Thronfolgerechtes geht von
dem am 7. Februar 1522 zu Brüssel zwischen Karl V. und Ferdinand I. abge-
schlossenenVertrag aus, wodmch das bis dahin einheitlicheHerrscherhaus in zwei
*) Vergl. H.Bidermaan, Geschichte der österreichischen Gesamtstaatsidee. Innsbruck1867.
zurück zum
Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918