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IX. Die Ausbildung der Staatsgewalt. 49
zubereiten und den Gang der Verwaltung zu überwachen, wurde 1760 der Staats-
rat geschaffen^). So war ein einheitliches Behördensystem errichtet, das diu-ch
Mittel- und Unterstellen die Staatsgewalt überallhin gleichmäßig vermittelte.
Josef IL versuchte den absoluten Einheitsstaat noch schärfer durchzusetzen
und auch Ungarn in denselben einzubeziehen. Die landständische Verwaltung
wurde bis auf dürftige Keste beseitigt; die Stände wurden nicht mehr einberufen
und sanken zu völliger Bedeutungslosigkeit herab. Im Zusammenhange mit der
straffen Zentralisation steht auch das Bestreben Josefs IL, die deutsche Sprache
zur allgemeinen Geschäftssprache der Verwaltung zu machen. Nach Josefs IL
Tode veranlaßt derWiderstand derStände LeopoldIL die staatliche Selbständigkeit
Ungarns, die Unabhängigkeit seiner Gesetzgebung und Verwaltung, durch den
GesetzartikelX von 1790/1 ausdrücklich anzuerkennen. In den anderen Ländern
traten die Stände wieder zusammen, in einigen wm-den sie sogar reformiert; die
ständischen Einrichtungen erwachten aber nicht zu neuem Leben. Der Sieg des
Absolutismus war bereits entschieden; der Staat hatte die Gesetzgebung und die
wichtigsten Belange der Verwaltung an sich gezogen; der Einheitsgedanke war,
von Ungarn abgesehen, verwklicht.
Unsere Zeit, die den Konstitutionalismus hochhält, ist geneigt, die Leistungen
des Absolutismus und der großen Regenten Österreichs im 18. Jahrhundert für
die Ausbildung des modernen Staates zu unterschätzen. Aber nm' der Absolutismus
vermochte gleichsam als Vollstrecker geschichthcher Notwendigkeit die bunte
Mannigfaltigkeit der einzelnerworbenen Länder zum Staate zusammenzuschweißen
und durch die Zertrümmerung der ständischen Gewaltenund Vorrechte die staats-
bürgerliche Gleichheit vorzubereiten. Durch die großen Gesetzeswerke (so ins-
besondereaufdem Gebietedesbürgerlichen, des Straf-undProzeßrechtes, des Schul-,
Steuer-undWelu*wesens)hat er dasBand gleichenRechtes um alleLänder undBe-
völkerungsschichten des Reiches, Ungarn ausgenommen, geschlungen. Sie alle be-
herrscht fortab die gleiche StaatsgewaltnachdengleichenRegelnund indengleichen
Formen zu den gleichen, allen gemeinsamenZwecken. Damit hat derAbsolutismus
seine geschichtliche Sendung erfüllt. Das 19. Jaln-hundert stellt eine neue großeAuf-
gabe : die notwendige Einheit und Macht des Staates mit der Freiheit und Selbst-
bestimmung seiner Bürger zu vereinen. Im Verfassungsstaate wird sie ihre Lösung
finden. Bevor die Ausbildung der Staatsverfassung im nächsten Kapitel dargestellt
wird, müssen wir einen Blick auf die Fortfüh_rung des österreichischen Staats-
gedankens in der absolutistischen Hälfte des 19. Jalirhunderts werfen.
7. Die Annahme des österreichischen Kaisertitels.
Das Beispiel Rußlands und Frankreichs veranlaßte Fi*auz I. mit dem Patente
vom 11. August 1804 „dem Hause von Österreich, in Rücksicht auf dessen un-
abhängige Staaten, den erblichen Kaisertitel gleichfalls beizulegen". Dadm'ch
wurde zunächst nur der Glanz der äußeren Machtstellung der Monarchie aus-
gedrückt; die staatsrechtliche Stellung ilu^er Bestandteile blieb davon unberühi-t.
line EinheitMchkeit kommt jedoch in dem kaiserhchen Wappen zum Ausdruck,
das die landesfürstlichen Behörden fortab anstatt der früher übüchen Landes-
wappenm ihi-em Siegel fühi'en. Durch die Auflösung des Deutschen Reiches (1806)
^) C. F r e i h c r r von Hock, Der österreichische Staatsrat (1760—1848). Wien 1879.
Rauchberg, Biirgerkunde. 4
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918