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XI. Die Gesamtmonarchie. 63
ist. Es besteht aus dem Minister des Äußern^), dem Reichskriegsminister und
dem Reichsfinanzminister.
Die beiderseitigen Vertretungskörper nehmen auf die gemeinsamen Angelegen-
heiten durch die Bewilligung der hiefür erforderhehen Geldmittel und durch die
Handhabung der Verwaltungskontrolle in ähnlicher Weise Einfluß wie auf die
Verwaltung der Ghedstaaten. Aber sie tun das nicht unmittelbar, sondern durch
Delegationen. Diese bestehen aus je 60 Mitghedern und je 30 Ersatz-
männern ; zwei Drittel derselbenwerden von den zweiten Kammern, ein Drittel
wh'd von den erstenKammern ausihrerMtte alljährlichgewälilt. Bei diesenWahlen
bilden im österreichischen Abgeordnetenhause die Abgeordneten der einzelnen
Länder besondere Wahlkörper, ein Überbleibsel aus der Zeit indirekter Reichsrats-
wahlen^); bei der Bildung der ungaiischen Delegation ist Kroatien besonders zu
berücksichtigen.
Die Delegationen sind Ausschüsse, aber nicht Bevollmächtigte der Parlamente,,
aus denen sie hervorgehen. Die Rechtstellung ihrer Mitglieder ist durch die Zu-
gehörigkeit zudemParlamente bedingt, das sie entsendet hat, und sie ist die gleiche
wie in demselben. Aber die Delegierten und ihre Ersatzmänner haben von ihren.
Wählern keine Instruktionen anzunehmen. Die Delegationen werden alljährhch
vom Kaiser einberufen; er bestimmt den Versammlungsort, tatsächhch ab-
wechselnd Wien und Budapest. Jede Delegation verhandelt und beschließt für
sich, aber nur übereinstimmende Beschlüsse beider Delegationen können die
kaiserliche Sanktion erhalten und so wirksam werden. Die Übereinstimmung wird
in der Regel zunächst durch schrifthchen Verkehr (Nuntien) angestrebt. Bleibt,
ein dreimahger Sclu-iftenwechsel erfolglos, so wird die Entscheidung durch einfr
gemeinsame Abstimmung herbeigefülu-t.
Der Wirkungskreis der Delegationen umfaßt alle Gegenstände, welche die
gemeinsamen Angelegenheiten betreffen; andere Gegenstände sind von ihrer Wirk-
samkeit ausgeschlossen. Aber diese Wirksamkeit kann höchstens der Form, nicht
dem Inhalte nach als Gesetzgebung bezeichnet werden. AVie bereits bemerkt,,
handelt es sich dabei hauptsächhch mn die Handhabung des Budgetrechtes und
der Verwaltungskontrolle. Die Befugnisse der Delegationen in dieser Richtung sind
die gleichen wie sonst die der beiderseitigen Parlamente^). Nur daß keine
Ministeranklage erhoben werden kann, weil das in Aussicht genommene
Gesetz über das dabei einzuhaltende Verfahren nicht zustande gekommen ist^
Wofern aufdem Gebiete dergemeinsamen AngelegenheitenAkte materieller Gesetz-
gebung erforderlich sind, können dieselben nur auf Grund gegenseitiger Verein-
barungen durch übereinstimmende Beschlüsse der beiderseitigen Vertretungs-
körper zustandekommen : nicht alsgemeinsame Reichsgesetze, sondern^spaktierte
Gesetze der beiden Gliedstaaten.
4. Die gleichartig verwalteten Angelegenheiten.
Nach gleichen, vonZeit zu Zeit zu vereinbarendenGrundsätzenwerden inÖster-
reich und in Ungarn behandelt:
^) Das Ministerium des Äußern funktioniert zugleich als Ministerium des kaiserlichen
und königlichen Hauses in allen Angelegenheiten, welche die staatsrechtliche Stellung dieses-
Hauses und die statutarischen Rechte seiner Mitglieder betreffen. In dieser Eigenschaft
ist es nur dem Monarchen verantwortlich.— ^) Vergl. oben S. 58.— ^) Vergl. unten S. 92.
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918