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72 XIV. Bosnien und die Herzegowina.
besonderen geschichtlichen Voraussetzungen und den politischen Bedürfnissen der
Gegenwart heraus sind die Merkmale verschiedener Staatstypen, mit neuen Zügen
bereichert, zu Staatsgebilden besonderer Art vereint wodren.
XIV. Bosnien und die Herzegowina.
DerArtikelXXVdes BerlinerVertragesvom 13. Juli1878hatderösterreichisch-
ungarischenMonarchiedas—zeitlichunbeschränkte—Mandaterteilt, die türkischen
Provinzen Bosnienund dieHerzegowinazu besetzenundzu verwalten^). Dienäheren
Bestimmungen hierüber sind zwischen Österreich-Ungarn und der Türkei in der
Konventionvom 21. April 1879 getroffen worden. Durch die Okkupation sollte der
Gleichgewichtszustand zwischen dem österreichischen und dem russischen Ein-
flüsse auf der Balkanhalbinsel wieder hergestellt werden, der durch den russisch-
türkischen Krieg von 1877/78 zu Kußlands Gunsten verschoben worden war. Für
Österreich handelte es sich vor allem darum, das Hinterland zu Dahnatien zu ge-
winnen. Der schmale Küstenstreifen, denDalmatien bildet, konnte nur so lange als
gesichert gelten, als dasLand hinter seinemKückeneinem Staate ohneErweiterungs-
gelüsten angehörte. Entstand auf dem Balkan ein kräftiges südslawisches Gemein-
wesen, so hätte es der Drang nach der Meeresverbindung auf Dalmatien gewiesen.
Dem wurde am besten durch den Erwerb der Hinterländer Dalmatiens für die
österreichisch-ungarische Monai-chie; vorgebaut. Damit ist zugleich eine wichtige
Voraussetzung fürdenwtschaftHchenAufschwung ilires Südensgeschaffenworden.
Nachdem der Widerstand der okkupierten Provinzen niedergeworfen war,
konntedieösterreichisch-ungarischeMonarchiedarangehen, siedurch dieLeistungen
ihrerVerwaltung wirtschafthchund damit auch politisch an sich zu ziehen. Der erste
Schritt dazu war die Aufnahme in das Zollgebiet und in die sonstige durch den
Ausgleich mit Ungarn geregelte Wirtschaftsgemeinschaft der Monarchie. Sie ist
im Jahre 1879 durch gleichlautende österreichische und ungarische Gesetze erfolgt.
Gegenwärtig gelten die Bestunmungen des neuen Zoll- und Handelsvertrages
(Gesetz vom 30. Dezember 1907) für Bosnien und die Herzegowina; auch ist das
Privilegium der österreichisch-ungarischen Bank vom Jahre 1888 angefangen auf
diese Länder ausgedehnt worden.
Die oberste Leitung der Verwaltung Bosniens und der Herzegowina ist dem
k. u. k. gemeinsamen Ministerium übertragen, in dessen Namen sie vom Keichs-
finanzminister geführt wird. Die Grundsätze hiefiu- finden sich in dem mit
(Ungarn paktierten) Gesetze vom 22. Februar 1880 aufgestellt. Hiernach sind
die beiderseitigen Kegierungen „im Geiste der für die gemeinsamen Angelegen-
heiten der Monarchie bestehenden Gesetze" ermächtigt und angewiesen, unter
verfassungsmäßiger Verantwortung Einfluß auf die Verwaltung Bosniens und
der Herzegowina zu nehmen. Insbesondere hat die Feststellung der Kichtung und
Prinzipien dieser Verwaltung und die Anlage von Eisenbahnen im Einvernehmen
mit den beiderseitigen Kegierungen zu erfolgen. Die Verwaltungskosten Bosniens
undderHerzegowinasoUenwomöglichdurch ihre eigenenEinkünftegedecktwerden.
Zuschüsse zu den Kosten der laufenden Verwaltung werden als geraeinsamer Auf-
wand behandelt, Aufwendungen der Monarchie zu Investitionszwecken durch über-
einstimmende Gesetze Österreichs und Ungarns bewilligt. In der gleichen Weise
werden dieGrundsätze festgestelltfürdieZoUcinrichtungen, für diejenigen indirekten
^) Vergl.August Fournier, Wie wir zu Bosnien kamen. Wien 1909.
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918