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XVIII. Der österreichische Reichsrat. 99
AlsAbgeordneter wählbar (passives Wahlrecht) ist jede Person männlichen Ge-
schlechtes, welche die österreichische Staatsbürgerschaft seit mindestens drei
Jahren besitzt, das 30. Lebensjahr zurückgelegt hat und nicht vom Wahkechte
ausgenommen oder ausgeschlossen ist. Inkorapatibilitätsgründe, welche gewissen
Personen, wie z. B. den in öffentlichen Diensten Stehenden oder den Direktoren
vom Staate subventionierter Unternehmungen die Wählbarkeit entziehen, sind in
Österreich nicht gesetzlich anerkannt.
Die Wirksamkeit des Wahlrechtesund die Zusammensetzung des Abgeordneten-
hauses sind bedingt durch die Einteilung des Staatsgebiets in Wahlbezirke^).
Die Wahlberechtigten eines jeden Wahlbezirkes bilden einen Wahlkörper. Aber die
Wahlbezirke werden durch die Reichsratswahlordnung nicht etwa mechanisch
in der Weise abgegrenzt, daß jeder annähernd die gleiche Volks- und Wählerzahl
umfaßt. Sieschließensichvielmehrimallgemeinenan die Gliederung derBevölkerung
nach Gerichtsbezirken und Gemeinden an, die ja auch in allen andern Hinsichten
den Rahmen für das gesellschaftliche und politische Leben bilden. Es wurde jedoch
auch auf die wirtschaftUche und soziale Entwicklungsstufe^), auf die Unterschiede
zwischen Stadt und Land, zwischen gewerbhchen und landwirtschaftlichen In-
teressen, auf die Nationalität der Bewohner und den Lauf der Sprachgrenzen
Rücksicht genommen, um möglichst einheitliche Wahlbezirke zu bilden und solche
Minderheiten möghchst zu vermeiden, die sich politisch nicht zur Geltung bringen
können. Durch die nationale Abgrenzung der Wahlbezirke wird die Nationalität
aus dem Wahlkampfe innerhalb der Wahlkreise ausgeschaltet. Die nationale Zu-
sammensetzung des Abgeordnetenhauses ist somit durch die Wahlkreiseinteilung
von vornherein gegeben und bis auf geringfügige Zufälligkeiten dem Wahlkampfe
entrückt. Die von diesen Gesichtspunkten geleitete Wahlbezirkseinteilung von
1907^) knüpft an die frühere Aufteilung der Reichsratsmandate nach Ländern,
Volksstämmen, Stadt und Land an, mildert aber die Unterschiede in der Wirk-
samkeit des Wahlrechtes, indem sie bei der Aufteilung eine MitteUinie zwischen
der Volkszahl und der Steuerleistung einhält^). Für jeden Wahlbezirk wird in der
Regel e in Abgeordnetergewählt. Ausnahmenbestehennur für GalizienundMähren.
In Gahzien sind den überwiegend ruthenischenWahlbezirken mit starker polnischer
Minderheit zweiMandate zugewiesen. AlsZweitgewählter ist derjenige zubetrachten,
*) Vergl. oben S. 86. — *) Als statistischer Maßstab hiefür kann die durchschnittliche
Steuerleistimg angenommen werden.— *)Vergl. G.Frey tag's ReichsratswahlkartevonÖster-
reich 1907.— *) Nach einer beiläufigen Berechnung
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918