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100 XVIII. Der österreichische Reichsrat.
der mehr als ein Viertel der abgegebenen gültigen Stimmen für sich hat. Dadurch
wurde eine Ait Minoritätenvertretung zugunsten der Polen geschaffen. In Mähren
besteheninnerhalb derWahlbezirke nationaleWahlkörper, die jeeinenAbgeordneten
wählen.
Die Wahlen gelten im allgemeinen für sechs Jahre. Nach Ablauf der sechs-
jährigen Legislaturperiode sowie im Falle der Auflösung des Abgeordnetenhauses
finden Neuwahlen, sonst nur Ergänzungswahlen zur Ausfüllung entstandener
Lücken statt.
DerVorgang beidenWahlenwirddurch dieReichsratswahlordnung
vom 26. Jänner 1907 geregelt^. Ergänzungswahlen ausgenommen, müssen sämt-
liche Wahlen zur Erneuerung des Abgeordnetenhauses am gleichen Tage vorge-
nommen werden. Um sie vorzubereiten, wird die Wahlberechtigung durch Ein-
tragung in dieWählerlisten festgestellt, dienach Gemeinden aufgestellt werden und
vor der Wahl zur öffentlichen Einsicht aufUcgen. Unrichtigkeiten werden von Amts
wegen oder infolge von Anfechtungen (Reklamationen) Wahlberechtigter behoben.
Die Tabelle 13 des Anhanges unterrichtet über die Wahlkreiseinteilung, die
Anzahl der Reichsrats- (und Landtags-)wahlbezirke, der Reichsratsmandate und
der Einwohner, die auf je ein Reichsratsmandat entfallen. In der letzten
Spalte dieser Tabelle wird die Wahlbeteiligung bei den Reichsratswahlen von
1907 berechnet.
DieAbstimmungistschriftlichund,um dieWählervorungehörigerBeeinflussung
undvorNachteilen zubewahren, geheim. DieWalilenwerdenvonWahlkommissioncn
geleitet, die über dieZulassung zurWahlund die Gültigkeit der Stimmen entscheiden
und das Wahlergebnis feststellen (Sla-utinium). Gewählt ist, wermehr als die Hälfte
aUer abgegebenen Stimmen für sich hat. Wurde die absolute Stimmenmehrheit
nicht erreicht, so findet eine engereWahl zwischen den beiden Kandidaten statt,
die beim vorhergehenden Wahlgange die meisten Stimmen für sich hatten^).
Die Gültigkeit derWahlenwdvomAbgeordnetenhause geprüftund spätestens
binnen Jahj'esfrist entschieden. Das Recht der einzelnen Wälder ist in doppelter
Weisegeschützt : vor ungerechtfertigter ÜberstimmungimLaufe desWahlverfahrens
durch das Reichsgericht^), vor Beeinträchtigung durch dritte Personen durch
besondere strafrechtliche Bestimmungen, welche Wahlbestechung, Wahlnötigung,
Wahlbehinderung, Wahlfälschung und andere die Wahl- und Versammlungs-
freiheit beeinträchtigende IVIißbräuche mit J^eiheitsstrafen, in minderen FäUen mit
Geldstrafen ahnden.
6. Die Parteien.
Das Wesen und die Bedeutung der Parlamentsparteien ist bereits im vorher-
gehenden Kapitel erörtert worden. Hier erübrigt noch eine kurze Darstellung der
Parteien des österreichischenReichsrate s*). Die Gesetze über
*) Vergl. ILKeisen, Kommentar zur österreichischen Reichsratswahlordnung, Wien 1907.
— *) Gewisso Abweichungen gelten für jene galizischen Wahlbezirke, wo zwei Abgeordnete
gewählt werden.— ') Vergl. S. 158.—*) ImMagnatenhause des ungarischen Reichstages gibt es
keine Parteiverbände. Die Scheidung in Mehrheit oder Minderheit erfolgt von Fall zu Fall, je nach
der Stellung zu den dem Magnatenhause vorgelegten Gesetzentwürfen. Die überwiegende Mehrzahl
(255) der 413 ungarischen Mitglieder des ungarischen Abgeordnetenhauses gehörten nach den ira
Juni 1910 vorgenommenen Wahlen der
, .nationalen Arbeitspartei" an.
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918