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106 XX. Behördenorganisaiion und öffentlicher Dienst.
behörden die Entscheidungen und Verfügungen der Unterbehörden aufheben oder
abändern können. Während früher die Oberbehörden ihre Beschlüsse dui'ch Ab-
stimmung faßten (KoUegialsystcm), entscheidet bei den meisten staatlichen Ver-
waltungsbehörden nunmehr der Vorstand (Bureausystem), sie sind monokratisch;
nur so kann die Verantwortlichkeit aller Beamten geltend gemacht werden.
2. Die staatlichen Verwaltungsbehörden.
Wie bereits bemerkt, stehen an der Spitze der einzelnen Ressorts regelmäßig
Minister. Minister sind verfassungsmäßig verantwortliche Ratgeber der Krone
ihreBedeutungalssolche fürdaskonstitutionelleSystemist bereitsimXVIII. Kapitel
besprochen worden^). In der Regel ist mit der Stellung eines Ministers zugleich
die Leitung eines Ministerialressorts verbunden; doch gibt es auch Minister, die
lediglich auf die Beratung der I^rone beschränkt sind (sogenannte Minister ohne
Portefeuille), in letzter Zeit hauptsächlichum gewisse politische, voraus nationale
Interessen zu vertreten.
Die Gesamtheit der Minister bildet unter der Leitung des Minister-
präsidenten denMinisterrat.DemMinisterpräsidenten steht dieLeitung
der Politik des Kabinetts zu. Im Ministerrat soll durch ein gegenseitiges Einver-
nehmen der Minister die Einheitlichkeit der Regierung und Verwaltung hergestellt
werden. Der Ministerrat ist jedoch kein Kollegium, in welchem die Beschlüsse
der Mehrheit für die Minderheitmaßgebend sind. Das widerspräche der Verantwort-
lichkeit jedes einzelnen Ministers. Zu Not- und Ausnahmsverordnungen, sowie zur
Einstellung der Geschworenengerichte ist verfassungsmäßig die Mitfertigung sämt-
licher Minister, also ein einhelliger Beschluß des Ministerrats erforderlich.
Die Abgrenzung der Ressorts ergibt sich aus der sachlichen Gliederung der
Verwaltung, worüber imXXXVII. Kapitel eine Übersichtgegeben wird. Infolge des
staatsrechtlichen Verhältnisses zu Ungarn scheiden jedoch die äußeren Angelegen-
heiten und das Kriegswesen^) aus der Verwaltung der Gliedstaaten aus. Damach
erübrigen für Österreich die nachfolgenden neun Ministerien: das Ministerium des
Innern und die aus dem weiten Bereiche der inneren Verwaltung abgezweigten
Ministerien für Kultus und Unterricht, für Handel und GeAverbe, des Ackerbaues,
der Eisenbahnen und öffentlichen Arbeiten ; ferner das Landesverteidigungs-^), das
Justiz-^) und das Finanzministerium. Der Wirkungskreis der Ministerien ist durch
kaiserliche Entschließungen und durch die VoUzugsklausel der Gesetze abgegrenzt.
Zur Erledigung mancher Angelegenheiten ist das Zusammenwirken der beteiligten
Ministerien erforderlich.
Zur Beratung der Regierung in Angelegenheiten, die besondere Fachkenntnisse
voraussetzen, bestehen bei den meisten Ministerien Beiräte, so der Industrie-und
Landwirtschaftsrat,der Arbeits-, Gewerbe-, Staatseisenbahn-, Wasserstraßen-, Ver-
sicherungsbeirat, derk. k. oberste Sanitätsratu. a.m. Sievermittelndie Sachkenntnis
im wissenschaftlichen oder praktischen Leben hervorragender Fachmänner und
^) Vergl. S. 93 f .— ") Bis auf die dem Landesverteidigungsministeriumzugewiesenen Wehr-
angelegenheiten.— ')DemLandesVerteidigungsministeriumunterstehen alleVerwaltungsangelegen-
heiten,diesich auf die bewaffnete Macht beziehen, so insbesondere die Heeresergänzung; außerdem
obliegen ihm die Angelegenheiten der Landwehr und dasLandsturmwesen.— *) Vergl. über den
Unterschied zwischen Justizverwaltungund Rechtspflege desXXXIIL Kapitel, S. 144, Anm. 2.
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918