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XX. Behördenorganisation und öffentlicher Dienst. 113
reichendeEntwicklungdurchgemacht, die mit derAusbildungdes modernenStaates
eng zusammenhängt. An dieser Stelle ist nur der Zivildienst zu besprechen; der
Militärdienst wird im Zusammenhange mit der Verwaltung des Kriegswesens im
XXXIX. Kapitel dargestellt werden.
Welche Bedeutung das Berufsbeamtentum für die Ausbildung der landes-
herrlichen Gewalt und damit auch für die Entstehung des modernen Staates hatte,
ist bereits im IX. Kapitel besprochen worden^). Wie das ursprünglich persönliche
Regiment des Fürsten zur staatlichen Funktion wird, verwandelt sich der Dienst
seinerBeamten in Staatsdienst. Der absolute Staat ist zugleich ein Beamtenstaat
nur durch die Tüchtigkeit seines Beamtentums sind jene Verwaltungsleistungen
ermöglicht worden, die den modernen Staat vorbereitet haben. Die Abwehr gegen
den Absolutismus und seinen Polizeistaat war bestrebt, den Einfluß der „Bureau-
ki'atie" durch die ehrenamtlich besetzte Selbstverwaltung einzuscliränken. Aber die
Leistungsfähigkeit dieser letzteren ist vielfach überschätzt worden. Erst später
lernte man die Vorzüge und Schwächen des einen wie des andern Systems un-
befangen beurteilen und beide angemessen miteinander verbinden. In der öster-
reichischen Behördenorganisation ist das noch nicht gelungen. Anstatt die Staats-
bürger in der Form des Ehrenamtes ausgiebig auch zur Staatsverwaltung heran-
zuziehen, hat sie die sogenannte autonome Verwaltung der Staatsverwaltung fast
unabhängig gegenübergestellt und so eine Art Doppelverwaltung geschaffen,
welche die Lösung mancher Aufgaben eher hemmt als fördert.
Zur Durchführung der laufenden Aufgaben des modernen Staates und der
größeren Selbstverwaltungskörper werden in der Regel Berufsbeamte mit
angemessener Vorbildung bestellt. Als mittelbare Staatsorgane sind sie zur Bildung
und Durchführung des Gemeinwillens berufen; für untergeordnete Verrichtungen
und den Vollzug ist die Dienerschaft bestellt. Der Staatsdienst besteht
aus einem gegenseitigen Verpflichtungsverhältnisse zwischen dem Staate und
seinen Angestellten. Der Angestellte ist derDienstgewalt des Staates unter-
worfen ; erhatnebendenbesonderenAmtspflichten auch allgemeine Standespflichten
in Bezug auf seine gesamte Haltung und Lebensführung zu erfüllen. Nicht nur zu
gewissen juristischen oder technischen Leistungen, sondern zu besonderer persön-
licher Treue undHingebung an den Staat ist der Beamte verpflichtet.Da eine solche
nur von den Angehörigen des eigenen Staates vorausgesetzt werden kann, bildet
die österreichische Staatsbürgerschaft dieVoraussetzungfürden Antritt eines öffent-
lichen Amtes. Der Staatsdiener hat sich stets das Gemeinwohl vor Augen zu halten,
darf sich in seiner dienstlichen Haltung nicht von Parteirücksichten beeinflussen
lassen undmuß sich auch sonst manche Zurückhaltung auferlegen. Dem ethischen
Gehalte des Dienstverhältnisses entspricht die feierliche Anrufung des Gewissens
durch den Amtseid. Alle Staatsdiener sind innerhalb ihres amtlichen Wirkungs-
kreises für die Gesetzmäßigkeit ihrer Geschäftsführung verantwortlich. Die straf-
rechtliche Verantwortlichkeit wird durch die Verfolgung der Amtsdelikte geltend
gemacht; die disziplinare VerantwortHchkeit bezweckt, dieBeamten zur Erfüllung
der Dienstpflicht und zur Wahrung des Standesansehens zu verhalten, die zivil-
rechtlicheVerantwortlichkeit, dritten Personen den Schaden zu ersetzen, der ihnen
durch schuldhaftes dienstliches Verhalten zugefügtworden ist. Abernur hinsichtlich
») Vergl. oben S. 46 f.
Rauehberg, Bürgerkunde.
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918