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118 XXII. Das Staaisvolk.
Vermöge der Territorialhoheit ergreift die Staatsgewalt auch die
im Staatsgebiete anwesendenAngehörigen anderer Staaten, die Staatsfremden;
vermöge derPersonalhoheit erfaßt sie die Staatsangehörigen auch im Aus-
lande. Jene Staatsfremden gehören mehr oder weniger der gesellschaftlichen
Gemeinschaft des Inlandes an und haben kraft der zwischen den zivilisierten
Staaten bestehenden Gegenseitigkeit eine gesicherte Rechtsstellung in allenDingen,
die nicht ausdrücklich den eigenen Staatsangehörigen vorbehalten sind.
Ebenso wie die Staatszwecke in letzter Linie die durch den Staat zu verwirk-
hchendenGemeininteressenderStaatsbürger sind, hängt auch dieLeistungsfäh^keit
des Staates neben seiner Organisation von der Zahl, der Tüchtigkeit
und der Hingebung seiner Bürger ab. Die Machtstellung des Staates,
seine Geltung als Klein-, Mittel- oder Großstaat richtet sich nicht so sehrnach seiner
Ausdehnung wie nach der Größe und der Leistungsfähigkeit seiner Bevölkerung.
Eine zahlreiche,körperlichundmoralischgesunde, raschundwohlständigwachsende
Bevöllferung ist daher eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Macht und
Blüte der Staaten.^) Die Befürchtung, als könnte die Vermehrung der Unterhalts-
mittel mit der Volkszunahme nicht gleichen Schritt halten, ist längst widerlegt.^)
Wenn Armut und Not als gesellschafthche Massenerscheinung auftreten, so liegt
die Ursache nicht etwa in der Übervölkerung sondern in Mängeln der Ausbildung
und der Organisation der Volkswirtschaft. Solche Mängel zu beheben und die
Bedingungen einer kräftigen Volkszunahme zu erstellen, gehört mit zu den
wichtigsten Aufgaben der öffentlichen Verwaltung.
Die statistischen Ausweise über den Stand und die Entwickelung
der Bevölkerung Österreichs sind in den Tabellen 1—5 des An-
hangs enthalten. Und zwar weist die Tabelle 1 den Stand und die Dichtigkeit
der Bevölkerung in den einzelnen Ländern Österreichs nach den vorläufigen Er-
gebnissen der Volkszählung vom 31. Dezember 1910 aus. Die Tabelle 2 bringt die
Gliederung nach dem Geschlechte und berechnet die Zunahme während des Jahr-
zehnts 1891—1900 sowie den Anteil, den die Eigenvermehrung und die Wanderbe-
wegung der Bevölkerung hieran haben. Sie fügt auch die gleichen Nachweisungen
für die Länder der ungarischen Krone und für Bosnien und Herzegowina hinzu.
Die Tabelle 3 zeigt das aUmähliche Anwachsen der Bevölkerung Österreichs im
19. Jahrhundert. Die Tabelle 4 bringt zum Vergleiche die Angaben über Flächen-
inhalt, Bevölkerungsstand, Volksdichtigkeit und Volkszunahme in den wichtigsten
Großstaaten der Erde. Über die einzelnen Elemente der Bevölkerungsbewegung,
über die Häufigkeit der Eheschließungen, Geburten und Sterbefälle unterrichtet
unter Beifügung internationaler Vergleichszahlen die Tabelle 5.
Das Staatsvollc ist und war zu allen Zeiten unter mannigfachen Gesichts-
punkten gesellschaftlich gegliedert. Die gesellschaftlichen Kräfte
wirken auch auf den Staat zurück; jede Umschichtung der Gesellschaft findet
^) Der Vorsprang, den das Deutsche Reich im Laufe des 19. Jahrhunderts vor Frankreich
errungen hat, erklärt sich nicht zum geringsten Teil aus der raschen Zunalmie der deutschen
Bevölkerung, während die Volkszunahme Frankreichs stockt.— ") Die Theorie, als ob eine
im Verhältnisse zur Vermehrung der Unterhaltsmittel zu rasche Volkszunahme die Ursache von
Not und Elend wäre, ist gegen Ende des 18. Jahrhunderts hauptsächlich von dem englischen
.Nationalökonomen R.M a 1 1 h u s vertretenworden und wird nachihm Malthusianismus genannt.
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918